Rücksichtslose Radfahrer
27.11.2023, 09:12 Uhr
ADAC Umfrage: Nur jeder zweite Fußgänger fühlt sich sicher
Zu wenig Rücksicht und zu viele Fahrzeuge: Eine exklusive ADAC-Umfrage zeigt, was Fußgängerinnen und Fußgänger im städtischen Straßenverkehr aktuell am meisten nervt. Das sind die wichtigsten Ergebnisse.
Nur knapp über die Hälfte der Menschen in deutschen Großstädten (51 Prozent) fühlt sich sicher, wenn sie zu Fuß im Straßenverkehr unterwegs ist. Das ist das Ergebnis der aktuellen ADAC-Umfrage zur Fußgängersicherheit. Bundesweit hat sich seit der Corona-Pandemie anscheinend wenig verbessert: Bei der gleichen Umfrage im Jahr 2021 hatte der Anteil derjenigen, die als Fußgängerinnen bzw. Fußgänger mit der Sicherheit im Straßenverkehr zufrieden sind, ebenfalls rund 50 Prozent betragen.
Nach wie vor gibt es große Unterschiede zwischen den Großstädten: Als überdurchschnittlich sicher bewerteten die Befragten diesmal etwa Potsdam (66 Prozent) und München (64 Prozent). Deutlich schlechter als der bundesweite Durchschnitt ist das Sicherheitsempfinden in Saarbrücken (38 Prozent) und Köln (34 Prozent). Für Verdruss sorgen in allen untersuchten Städten sowohl Mängel an der Verkehrsinfrastruktur als auch das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer.
Fußgängerinnen und Fußgänger nehmen das Fahrverhalten der E-Scooter-Fahrer und -Fahrerinnen dabei als besonders rücksichtslos wahr. Waren es 2021 rund 48 Prozent, die deren Verhalten im Straßenverkehr nervte, sind es in diesem Jahr schon rund 55 Prozent. Aus Fußgängersicht benehmen sich auch Leute, die mit dem Fahrrad oder selbst zu Fuß unterwegs sind, rücksichtsloser, als das vor zwei Jahren der Fall gewesen ist. Ein möglicher Grund: Die Mobilität in Städten hat im Vergleich zu den Corona-Jahren wieder deutlich zugenommen.
Dieses Verkehrsverhalten nervt viele
Dass Fußgängerinnen und Fußgänger sich vom Verhalten anderer gestört und unsicher fühlen, liegt laut ADAC-Umfrage am häufigsten an E-Scootern: Mehr als zwei Drittel der Stadtbewohnerinnen und -bewohner ärgern sich, wenn sie die Elektroroller auf Gehwegen behindern, dort unerlaubt fahren, zu schnell unterwegs sind sowie ohne Vorwarnung abbiegen und überholen. Das Gros der Befragten nervt zudem, wenn sich Radfahrer und Radfahrerinnen in ähnlicher Rowdy-Manier verhalten.
Die häufigsten Klagen über Radfahrerinnen und Radfahrer lauten:
- Radfahrende überholen mit zu geringem Abstand
- Radfahrende klingeln beim Überholen nicht oder zu spät
- Radfahrende sind unerlaubt auf Gehwegen unterwegs
- Radfahrende sind zu schnell unterwegs
Zu den zehn meistgenannten Störfaktoren zählen auch Autofahrende, die beim Abbiegen nicht auf Fußgängerinnen und Fußgänger achten. Allerdings sind diese Verkehrsteilnehmer weniger im Brennpunkt als noch bei der Umfrage zwei Jahre zuvor. Für gereizte Stimmung sorgen indes häufig andere Fußgängerinnen und Fußgänger, wenn sie beim Gehen ständig auf ihr Smartphone schauen anstatt auf ihr Umfeld und den Verkehr.
Was die Verkehrssicherheit beeinträchtigt
Nicht überall sind die Fußgängerinnen und Fußgänger zufrieden mit den Gehwegen und den Möglichkeiten, um sicher die Straßen zu überqueren. Über die Hälfte der vom ADAC Befragten (59 Prozent) bemängelt, dass regelmäßig zu viele E-Scooter, Fahrräder und Motorräder auf dem Bürgersteig abgestellt sind. Die Mehrheit (51 Prozent) regt sich außerdem häufig darüber auf, dass immer mehr parkende Autos in den Großstädten die Sicht an Straßeneinmündungen und -kreuzungen einschränken. Ebenfalls vielmals als störend empfunden: kurze Grün- und lange Wartephasen an Ampeln sowie schlechte Gehwege.
Bei der Frage, was am meisten zu ihrem Sicherheitsgefühl im Straßenverkehr beiträgt, haben die befragten Fußgängerinnen und Fußgänger eine klare Antwort: Ampeln. 88 Prozent fühlen sich damit beim Überqueren von Straßen sicherer. 73 Prozent empfinden Zebrastreifen als wirksam. Tempo 30 für Pkw in Wohngebieten wird von 62 Prozent genannt. Ein Verkehrsschild oder entsprechende Warnzeichen findet nur die Hälfte wirklich hilfreich.
Mehr tödliche Verkehrsunfälle in Deutschland
Wer in seiner Mobilität eingeschränkt ist, hat etwas andere Bedürfnisse als Fußgängerinnen und Fußgänger ohne Behinderungen. Es verändert die Wahrnehmung von Defiziten im Straßenraum. Am meisten stören mobilitätseingeschränkte Fußgängerinnen und Fußgänger laut der aktuellen ADAC-Umfrage zu kurze Grünphasen an Ampeln. Für Verunsicherung sorgen auf Gehwegen abgestellte E-Scooter und Fahrräder sowie Straßenbereiche, die aufgrund parkender Autos schwierig einsehbar sind. Ein Problem sind für diese Verkehrsteilnehmer auch Bürgersteige, die wegen ihres Zustands schwierig begehbar sind, und unzureichend abgesenkte Bordsteine.
Weiterhin begegnen Menschen mit eingeschränkter Mobilität also vielen Hindernissen. Der ADAC wollte deshalb wissen, wie sowohl die Befragten mit als auch diejenigen ohne Behinderung die barrierefreie Gestaltung der Gehwege, Überquerungsmöglichkeiten und öffentlichen Plätze in ihrer Stadt einschätzen. Nur 29 Prozent aller Fußgängerinnen und Fußgänger bewerten sie derzeit als „sehr gut“.
So hat der ADAC die Fußgänger befragt
Mehr als 3250 Fußgängerinnen und Fußgänger ab 18 Jahren hat der ADAC zwischen dem 14. August und dem 5. September 2023 online zum Sicherheitsempfinden und häufigen Störfaktoren in ihrer Stadt befragen lassen. Ausgewählt wurde pro Bundesland jeweils die Stadt mit den meisten Einwohnerinnen und Einwohnern. Pro Stadt beteiligten sich mindestens 200 Personen, die dort regelmäßig zu Fuß unterwegs sind.
ADAC-Empfehlungen: Das können Städte für Fußgänger tun
- Getrennte Rad- und Gehwege planen
- Parallel geführte Radwege auch optisch gut vom Gehweg abtrennen
- Ausreichend sichere Überquerungshilfen anbieten
- Kreuzungen und Einmündungen zügig und sicher passierbar machen
- Für gute Sichtbeziehungen sorgen und Sichthindernisse beseitigen
- Gehwege und Kreuzungen barrierefrei gestalten
- Für gute Beleuchtung der Gehwege sorgen und Schäden im Gehwegbelag zügig ausbessern
- Abschnitte, die häufig von falsch geparkten Autos blockiert sind, regelmäßig kontrollieren, Parkverstöße ahnden und die Situation entschärfen
- Die Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer, auch der Fußgängerinnen und Fußgänger, gleichberechtigt bei der Stadtplanung einkalkulieren
- Bei Planung von Tempo-30 auf Hauptstraßen, Verlagerungseffekte in Nebenstraßen berücksichtigen
- Gegenseitiges Verständnis aller Verkehrsteilnehmer fördern durch Kampagnen
Die Umfrage mit interaktiven Grafiken ist hier abrufbar.