Erfolgreiche Klage
11.03.2021, 08:41 Uhr
11.03.2021, 08:41 Uhr
Gericht im Saarland kippt Teile der Corona-Verordnung
Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat einen Teil der aktuell geltenden Corona-Verordnung vorläufig außer Vollzug gesetzt. Davon betroffen sind die Pflicht zur Terminvergabe und die 40-Quadratmeter-Beschränkungen je Kunde im Einzelhandel.
Die Corona-Verordnung im Saarland sieht seit dem 6. März vor, dass die Kunden im Einzelhandel nur nach vorheriger Terminvergabe einkaufen dürfen und nur eine Person sowie eine weitere Person aus dem gleichen Hausstand pro 40 Quadratmeter in den Geschäften zugelassen werden. Für einige wenige privilegierte Geschäfte wie Buchhandlungen und Blumengeschäfte gelten jedoch andere Regeln: Hier sieht der Beschluss eine Beschränkung von einer Person pro 15 Quadratmetern als infektionsschutzrechtlich unbedenklich an.
Gegen diese Ungleichbehandlung klagte eine Antragstellerin aus dem Saarland, die ein Computergeschäft mit 140 Quadratmetern Fläche besitzt, vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Saarlouis. Und das Gericht hat ihr mit Beschluss vom 9. März Recht gegeben. Mit Blick auf den geltenden Gleichheitssatz gebe es keine Rechtfertigung dafür, dass das Geschäft der Antragstellerin anders zu behandeln sei als die privilegierten Geschäfte, so das OVG. Auch die privilegierten Geschäfte seien nicht immer zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung notwendig. Andere Geschäfte aufgrund des Infektionsgeschehens strenger zu behandeln sei daher nicht begründet.
Das OVG erläuterte weiter: „Die gegenwärtige Regelung verletze auch das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG). Es bestünden erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Betriebseinschränkungen.“ Aufgrund der derzeitigen Beschränkungen drohe den Geschäften „erheblicher, mit zunehmender Dauer existenzbedrohender Schaden“.
Zudem könne eine Öffnung kleinerer Geschäfte auch zur Entspannung des Einkaufsgeschehens in den größeren, bereits geöffneten Märkten führen. Auch vor dem Hintergrund der derzeitigen Corona-Lage gebe es für die Schließung laut Gericht keine Rechtfertigung: „Die Berichte des Gesundheitsministeriums zur Auslastung der Kapazitäten der saarländischen Kliniken aufgrund von Erkrankungen durch das Coronavirus zeigten, dass die Situation weder bei den aktuell vorgehaltenen Betten zur Intensivbehandlung noch bei den Betten mit Beatmungsmöglichkeit derzeit ein Erreichen der Belastungsgrenze nahelege." Eine vom RKI vorgenommene Bestimmung einzelner Risiken nach den Kriterien des individuellen Infektionsrisikos und des Anteils am Gesamtinfektionsgeschehen weise für den Einzelhandel jeweils lediglich die Einstufungen „niedrig“ aus.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) im Saarland hat sich in ihrer ersten Stellungnahme positiv über das Urteil geäußert: „Die Entscheidung des OVG ist konsequent und richtig. Es bestanden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit, einzelne Branchensegmente zu privilegieren“, so IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Frank Thomé.
Das Gesundheitsministerium in Saarbrücken teilte der Süddeutschen Zeitung auf Anfrage noch am Mittwochabend mit: „Wir prüfen das OVG-Urteil und werden dann die Konsequenzen einer Änderung der Verordnung prüfen und eine Anpassung oder Rechtsmittel treffen."