Firmenintitiative beim Innenminister
02.05.2018, 14:24 Uhr
Vaude fordert Bleiberecht für angestellte Migranten
Vaude beschäftigt über das Asylsystem eingewanderte Mitarbeiter. Die Asylanträge von sieben Angestellten wurden abgelehnt, sie sollen abgeschoben werden. Vaude protestiert im Innenministerium.
Antje von Dewitz (blaues Hemd, Mitte vordere Reihe) traf Thomas Strobl (daneben, grauer Anzug) mit anderen Unternehmern. Das Bild zeigt einen Ausschnitt des Gruppenfotos.
Antje von Dewitz, die Geschäftsführerin des Bergsportausrüsters aus Tettnang, erklärt dazu: „Wir haben Verantwortung übernommen und viel Zeit und Geld investiert. Nun sollen wir die Arbeitskräfte, die wir dringend brauchen, wieder verlieren. Das wäre für uns ein hoher wirtschaftlicher Schaden, ganz zu schweigen von der menschlichen Katastrophe. Wir wollen nicht länger Spielball der Politik sein”.
Deshalb startete das Unternehmen eine Initiative, der sich laut Vaude innerhalb weniger Wochen über 80 Betriebe und drei Verbände aus Baden-Württemberg angeschlossen haben. Gemeinsam setzen sie sich für ein Bleiberecht ihrer Mitarbeiter mit festem Arbeits- oder Ausbildungsplatz ein. Am 19. April wurde die Unternehmerinitiative unter der Federführung von Antje von Dewitz und Gottfried Härle, Brauerei Härle, vom baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl in Stuttgart empfangen.
Die 80 Unternehmen der Initiative stehen nach eigener Darstellung für über 44 Mrd. Euro Jahresumsatz und über eine halbe Million Arbeitsplätze in Baden-Württemberg. Insgesamt beschäftigen sie derzeit 2.000 anerkannte Flüchtlinge sowie teils abgelehnte Asylbewerber in fester Anstellung oder Ausbildung. Gemeinsam forderten sie im Gespräch mit dem Minister eine Bleibeperspektive für solche Mitarbeiter mit einem festen Arbeits- oder Ausbildungsplatz. Sie zeigten auf, welch wirtschaftlichen Schaden eine Abschiebung der Mitarbeiter zur Folge hätte und wie groß der Bedarf an Arbeitskräften insbesondere in der Produktion, dem Handwerk, der Altenpflege und dem Dienstleistungsbereich sei.
Migranten in Produktion, Logistik und Service
Auch Vaude habe in bestimmten Bereichen mit einem Arbeitskräftemangel zu kämpfen, insbesondere in der Produktion. Dort werden am Standort Tettnang von über 40 Mitarbeitern wasserdichte Radtaschen, Rucksäcke und Taschen hergestellt. „Unsere Made-in-Germany-Produkte sind weltweit gefragt und wachsen bei uns am stärksten, sodass wir die Produktion erhöhen und Mitarbeiter einstellen können“, so Antje von Dewitz. „Allerdings finden wir für diesen Bereich, also unsere Schweißerei und Näherei, kaum Mitarbeiter. Als wir anfingen, uns für die Integration von Geflüchteten zu engagieren, indem wir unter anderem Näh-Workshops oder Bewerbertrainings anboten, haben wir festgestellt, dass wir dabei auch geeignete und sehr motivierte Mitarbeiter finden können. So haben wir ihnen eine berufliche Chance geboten.“ Auf diesem Weg habe Vaude 11 Mitarbeiter in den Bereichen Produktion, Logistik und Produktservice gewonnen, sowie einen Auszubildenden zum Industriekaufmann.
Wirtschaftlicher Schaden durch Abschiebungen?
„Als die große Flüchtlingswelle einsetzte, haben wir die Ärmel hochgekrempelt und Geflüchtete eingestellt, die kaum Deutsch sprachen und denen unsere Arbeitsabläufe völlig fremd waren. Das war ein enormer Aufwand. Zahlreiche Mitarbeiter waren eingebunden, von administrativen Aufgaben über die Einarbeitung bis hin zur alltäglichen Integrationshilfe. Zudem haben wir Deutschkurse organisiert, bei Behördengängen oder der Wohnungssuche unterstützt, und schließlich Anwälte engagiert, um rechtliche Schritte gegen die Abschiebungen einzuleiten. Jetzt, wo sie voll integriert sind und wertschöpfend arbeiten, sollen sie abgeschoben werden. Das hätte einen hohen wirtschaftlichen Schaden zur Folge“, erklärt Antje von Dewitz. Insgesamt hat Vaude nach eigener Darstellung 63.000 Euro in die Betreuung und Qualifizierung dieser Mitarbeiter investiert, die Hälfte davon habe die Arbeitsagentur übernommen. Im Falle von sieben möglichen Abschiebungen müsste Vaude die Produktion herunterfahren, was zu einem Umsatzausfall von rund 240.000 Euro führen würde. Bereits im September letzten Jahres habe sich von Dewitz in einem offenen Brief an Angela Merkel gewandt, die bis heute nicht darauf reagiert haben soll.
Einschätzung des Gesprächs mit Minister Strobl
„Wir konnten Herrn Strobl deutlich machen, dass nicht nur ein Fachkräftemangel, sondern auch ein akuter Arbeitskräftemangel für einfache Tätigkeiten oder Helferberufe besteht. Vor diesem Hintergrund hält auch er ein Einwanderungsgesetz für sinnvoll, das eine legale Zuwanderung für Geflüchtete ermöglicht, die hier gebraucht werden. Bis ein solches Gesetz existiert, fordern wir Unternehmen einen stichtagsbezogenen Duldungstatbestand für Geflüchtete, die bereits einen festen Arbeitsplatz in Deutschland haben. Herr Strobl hat zugesagt, sich damit zu befassen und mit uns weiter an einer Lösung zu arbeiten. Dazu wird es einen Folgetermin mit dem Minister im Herbst geben“, berichtet Antje von Dewitz. „Wir haben das Gespräch mit Minister Strobl als konstruktiv empfunden. Gemeinsam konnten wir ein wichtiges Signal senden und die Problematik darstellen.“