Null Verkehrstote
23.10.2023, 11:19 Uhr
ADAC: „Vision Zero“ nicht erreichbar
Fünf Experten und eine Expertin diskutierten am Samstag auf dem ADAC-Verkehrsforum in Schlüsselfeld die „Vision Zero“. Ein Vorschlag: Radwege sollten abseits von Hauptverkehrsstraßen auf parallelen Routen laufen.
Von links: Jürgen Hildebrandt (Leiter Fachbereich Verkehr, Technik und Umwelt beim ADAC Nordbayern), Peter Hübner (Vorstand Verkehr ADAC Nordbayern), Wolfgang Lieberth (Vorstand Technik und Umwelt beim ADAC Nordbayern), Dr. Hanna Siebentritt (FAU Erlangen-Nürnberg), Thomas Heinrich (ADAC Stiftung), Timo Payer (Präsident bayerisches Polizeiverwaltungsamt) und Jens Lauterbach (PB Consult)
(Quelle: Dennis Heldt / ADAC Nordbayern)
Auf dem diesjährigen Verkehrsforum des ADAC Nordbayern in Schlüsselfeld bei Nürnberg diskutierten am Samstag Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und von der Polizei, inwieweit man die Verkehrssicherheit durch weiterführende Maßnahmen in Zukunft verbessern kann und wie realistisch die „Vision Zero“ ist. Der ADAC hat sich – wie Thomas Dill, Vorsitzender des ADAC Nordbayern, in seiner Begrüßungsrede bemerkte – aus Überzeugung zur „Vision Zero“ im Leitbild des ADAC bekannt. Allerdings diene diese Vision eher als ein Idealbild, stellvertretend für alle Bemühungen zur Verkehrssicherheit. „Ich verstehe unter der Vision Zero jeden einzelnen Erfolg zur Verbesserung der Verkehrssicherheit, auch wenn wir das Gesamtziel null Verkehrstote weiter verfehlen sollten“, so Peter Hübner, Vorstand für Verkehr und stellvertretender Vorsitzender beim ADAC Nordbayern in seiner Rede auf dem Verkehrsforum.
Radwege weg von Hauptverkehrsstraßen
Hübner benannte auch einen Zielkonflikt zwischen Verkehrswende und Verkehrssicherheit: „Mit der Reduktion von Fahrstreifen im Pkw-Verkehr verlegen wir die Radwege aktuell an die Hauptverkehrsachsen und sorgen für noch mehr Stress, Konflikte und steigende Unfallzahlen im hochbelasteten Straßenraum. Das Radwegenetz muss auf gesicherten und parallelen Routen ausgebaut werden.“ Hübner verwies beim Thema Verkehrssicherheit außerdem auf die Arbeit des ADAC in Nordbayern und nannte beispielsweise die kostenlosen Verkehrserziehungsprogramme an Schulen, die Fahrradtrainingsangebote, die zahlreichen Angebote zum Fahrsicherheitstraining in Schlüsselfeld oder die Beratung in der technischen Verkehrssicherheit im Prüfzentrum und den mobilen Prüfdienst.
Sicherheitskurse für Radfahrer
Im weiteren Verlauf des Verkehrsforums stellte Timo Payer, Präsident des bayerischen Polizeiverwaltungsamts, die Verkehrsverstöße und Unfallstatistik im Freistaat genauer vor. Besonders auffällig: Der Anteil der Radunfälle steigt bedingt durch den Boom im E-Bike- und Pedelec-Segment enorm. Der ADAC Nordbayern hat dieses Problem aber bereits erkannt und mit „SiFAr – Sicher Fahrradfahren im Alter“ gemeinsam mit dem Institut für Biomedizin des Alterns der FAU Erlangen-Nürnberg ein neues Kursangebot aufgelegt. Dr. Hanna Maria Siebentritt erklärte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Verkehrsforums den wissenschaftlichen Ansatz und genauen Ablauf des neuen Kurses. Gerade ältere Radfahrende unterschätzen beim Wiederaufstieg aufs Rad die Geschwindigkeit der E-Bikes oder deren Gewicht. Umso wichtiger ist es, Gleichgewicht und Reaktionsschnelligkeit wieder anzutrainieren, um sicher unterwegs zu sein.
Automation und neue Straßenentwürfe
Nachdem Thomas Heinrich, Leiter der Forschung ADAC Stiftung, in seinem Impulsreferat die Kampagne „#mehrAchtung“ vorstellte, veranschaulichte Wolfgang Lieberth, Vorstand für Technik und Umwelt beim ADAC Nordbayern, die neuesten Entwicklungen in der Automation der Fahrzeuge. Dabei begrüßte er auch die neuen gesetzlichen Vorschriften zum verpflichtenden Einsatz von Assistenzsystemen bei Neufahrzeugen. Jens Lauterbach, Abteilungsleiter für Konzeption bei PB Consult, ging in seinem Vortrag anschließend darauf ein, inwiefern die Umgestaltung des Straßenraums einen Beitrag zur „Vision Zero“ leisten kann. So könne beispielsweise eine bessere Infrastruktur mit breiteren Rad- und Fußwegen die Sicherheit der besonders gefährdeten, schwächeren Verkehrsteilnehmenden deutlich erhöhen.
Senkung des Todeszahlen seit 1970
19.193 Menschen starben im Straßenverkehr der Bundesrepublik im Jahr 1970. Diese erschreckende Zahl markierte gleichzeitig den traurigen Rekord, obwohl die ehemalige DDR in der Statistik noch nicht einmal erfasst wurde. Im vergangenen Jahr kamen bundesweit 2.788 Menschen im Straßenverkehr ums Leben. Diese erheblichen Reduktion der Todesfälle wurde möglich durch zahlreiche Maßnahmen: Gurtpflicht, Geschwindigkeitsbegrenzungen, Promillegrenzen, Helmpflicht oder auch die technische Entwicklung der Fahrzeuge.