Verkehrsgerichtstag
16.08.2022, 09:50 Uhr
Experten diskutieren Gestaltung des Verkehrsraums
Auf dem 60. deutschen Verkehrsgerichtstag (17. bis 19. August) diskutieren Experten und Expertinnen darüber, wie der Raum für Radfahrende in Zukunft gestaltet werden muss, um die Bedingungen zu verbessern und die Sicherheit zu erhöhen.
Auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar diskutieren Verkehrsexperten die Gestaltung sicherer Radinfrastruktur.
(Quelle: Shutterstock / Canetti)
Radfahren muss attraktiver werden, dafür werden Autos künftig Fahrspuren abgeben müssen, so der Leiter Unfallforschung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, Siegfried Brockmann. Der Autoverkehr beanspruche ein Übermaß an Flächen, sagt auch Jana Kühl. Sie ist Professorin für Radverkehrsmanagement an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Salzgitter. Diese und andere Themen wie Cannabis im Straßenverkehr, Radverkehrssicherheit oder Haftungsfragen bei E-Scootern, werden beim 60. deutschen Verkehrsgerichtstag von Fachleuten aus Justiz, Wissenschaft, Behörden und Verbänden in sieben Arbeitskreisen in Goslar diskutiert. Der jährliche Kongress zählt zu den wichtigsten Treffen von Verkehrssicherheitsexperten in Deutschland. Der Kongress endet am Freitag mit Empfehlungen an den Gesetzgeber.
Forderung nach mehr Sicherheit
Konkret brauche es laut den Experten und Expertinnen überall da, wo es möglich ist, bauliche Trennungen zwischen verschiedenen Verkehrsteilnehmenden. Unfallschwerpunkte wie Kreuzungen, Ausfahrten oder am Straßenrand parkende Autos müssten neu geregelt werden. Radverkehr muss ein Grundbaustein der Verkehrswende für Klimaschutz und lebenswertere Städte werden. Da das Radverkehrsaufkommen künftig immer weiter steigen soll, müssen sich Autofahrende darauf einstellen, dass Radfahrer und Radfahrerinnen – etwa bei Ampeln an einem wichtigen Radweg – häufiger bevorzugt würden.
Unfallforscher Brockmann fordert unter anderem bessere Sichtachsen in Kreuzungsbereichen. Dazu müssten Parkplätze reduziert und Falschparker bestraft werden. Zudem müssten Kommunen bekannte Unfallschwerpunkte schneller untersuchen und entschärfen. Klar sei aber auch: „Eine absolute Sicherheit kann es nie geben.“ Der Automobilclub Europa plädiert unter anderem für einen signifikanten Ausbau von Radschnellwegen und Abstellanlagen für Räder sowie eine dauerhafte Förderung der Instandhaltung. Zudem sollten Gelder für den Ausbau langfristiger zur Verfügung gestellt werden und gleichzeitig flexibler abrufbar sein, damit sie nicht verfallen. Der Deutsche Anwaltverein will mehr Verkehrssicherheit für Radfahrende unter anderem durch technische Assistenzsysteme erreichen. Auch verschärfte Kontrollen von Radlern seien denkbar und eine Kennzeichnung von Fahrrädern nicht ausgeschlossen.
Ländliche Regionen stärken
„Die Diskussion beim Radverkehr ist städtisch geprägt. Die ländlichen Regionen müssen stärker in den Blick genommen werden“, wirft Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ein. Ein Mitarbeitender aus seinem Ministerium wird in Goslar an der Debatte zur Radverkehrssicherheit teilnehmen. Er fordert unter anderem ein verlässliches und sicheres Fahrradstreckennetz mit sicheren Querungen. Zuletzt habe der Radverkehrsanteil vor allem in den Städten zugenommen, weil dort besser und stärker gefördert wurde. Auch in ländlichen Regionen gebe es aber nicht zuletzt durch Pedelecs Potenzial für mehr Fahrradverkehr.
„48 Prozent aller Radunfälle finden außerhalb geschlossener Ortschaften statt“, sagt Unfallforscher Brockmann. Der ADAC plädiert deshalb beispielsweise für mehr Radwege entlang von Hauptstraßen und für eine Verbesserung vorhandener Wege abseits der großen Straßen. Professorin Kühl hingegen spricht sich für mehr neugebaute, überregionale Radschnellwege aus. Wege entlang von Land- und Bundesstraßen seien sehr unattraktiv.