Tandem per Gerichtsurteil 14.02.2022, 16:00 Uhr

Krankenkasse muss Spezialrad bezahlen

Das Sozialgericht Hannover hat entschieden: Einer Klägerin werden die Kosten für ein Spezialrad und die außergerichtlichen Kosten erstattet.
Eine 13-Jährige setzte ihr Recht auf ein Spezialrad per Gerichtsurteil durch.
(Quelle: Hase Bikes)
Bereits im März 2017 hatte die Klägerin aufgrund ihrer Schwerbehinderung bei ihrer Krankenkasse ein „Pino Steps“ plus Zubehör beantragt. Eine entsprechende ärztliche Verordnung war beigefügt. Verschrieben wurde das Tandem der damals 13-Jährigen, weil sie unter einer Hirnschädigung leidet. Diese wurde ausgelöst durch eine unzureichende Versorgung des Hirngewebes mit Sauerstoff und Blut. Die Behinderung führt dazu, dass sie sich nicht selbstständig fortbewegen kann, auch nicht mit einem Rollator oder einem Therapiedreirad. 

Krankenkasse lehnte das Spezialrad ab

Der von der Krankenkasse eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) sah jedoch keine medizinische Indikation für das Spezialrad. Dieses sei kein anerkanntes Hilfsmittel und nicht Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Antrag wurde abgelehnt. Kein Einzelfall, wie Stephan Moldenhauer, der Reha-Experte von Hase Bikes weiß: „Es ist nicht selten, dass Anträge abgelehnt werden, insbesondere, wenn es sich um ein hochpreisiges Produkt ohne Hilfsmittelnummer handelt. Wichtig ist, dass man sich nicht verunsichern lässt und hartnäckig bleibt.“

Vom Widerspruch zur erfolgreichen Klage

Die Klägerin blieb hartnäckig und legte Widerspruch gegen die Entscheidung der Krankenkasse ein. Auf dem Vordersitz des „Pino“ kann sie aktiv mobil sein, denn durch eine Freilaufarretierung an der Kurbel kann sie aktiv mittreten. Die kontinuierliche Bewegung der Beine steigert die Muskelaktivität, was zu einem erhöhten Stoffwechsel führt und die Dichte und Mineralisierung der Knochenstruktur verbessert. Ein positiver Trainingseffekt. Aber MDK und Krankenkasse blieben bei ihrer Ablehnung. Die Familie entschied sich, zu klagen. Das Urteil des Sozialgerichts Hannover erfolgte schließlich im Juli 2021: Der Klägerin werden die Kosten für das „Pino Steps“ und die notwendigen außergerichtlichen Kosten erstattet. Begründet wird das Urteil damit, dass unter Berücksichtigung der Behinderung der Klägerin die besonderen Vorzüge des „Pino“ zum mittelbaren Behinderungsausgleich dienen. Denn anders als bei herkömmlichen Tandems kann der Mitfahrende auf dem Vordersitz des „Pino“ sicher angeschnallt werden, so dass es der Klägerin das Grundbedürfnis nach Mobilität erfüllt. „Es ist schön, zu sehen, dass eine Klage zum Erfolg geführt hat“, sagt Stephan Moldenhauer. „Leider lassen sich viele Menschen durch die Ablehnung ihres Antrags abschrecken, weil sie nicht wissen, wie sie dagegen vorgehen können.“ 

Hase Bikes hilft Betroffenen zum Therapierad 

Um diese Menschen zu unterstützen, hat Hase Bikes in Zusammenarbeit mit einem Fachanwalt für Medizin-, Sozial- und Versicherungsrecht und Experte für Hilfsmittelversorgung einen ausführlichen Ratgeber verfasst. Er führt Schritt für Schritt durch den gesamten Prozess, von der Antragstellung über den Widerspruch bei Ablehnung, bis hin zu dem letzten Mittel, der Klage. „Wenn es zu einer Klage kommt, ersetzen wir mit unserem Ratgeber nicht die Beratung durch einen Anwalt oder eine entsprechende Beratungsstelle“, stellt Moldenhauer klar. „Aber wir informieren nach bestem Wissen, damit es gar nicht erst zu einer Ablehnung kommt.“

Gericht: SG Hannover 88. Kammer
Aktenzeichen: S 88 KR 1492/17
Urteil vom: 09.07.2021
Grundlage: SGB V § 33 Abs. 1 Satz 1



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