Nach 18 Monaten Pause 14.09.2021, 15:26 Uhr

ADFC Bayern lädt wieder zum Mittagsgespräch ein

Nach der Pandemie-bedingten Pause seit März 2020 konnte der ADFC nun wieder zu einem Mittagsgespräch einladen. Bei der Veranstaltung ging es um das Fahrradfahren in urbanen Räumen am Beispiel von Kopenhagen.
James Thoem
(Quelle: SAZbike)
Für das 34. ADFC-Mittagsgespräch referierte James Thoem, CEO von Copenhagenize Design. Das Unternehmen entwickelt zusammen mit der Stadtverwaltung Konzepte und Maßnahmen, um den Radverkehr in Kopenhagen attraktiver zu gestalten. Am Beispiel der dänischen Hauptstadt erklärte Thoem, wie nachhaltige Mobilität in den Städten funktionieren kann und, welche Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen.
Grundlegend dafür ist das Verständnis, dass es sich bei dem Fahrrad, genauso wie bei dem Auto, um ein legitimes Fortbewegungsmittel für die Strecke von A nach B handelt. Besonders in deutschen Städten dominiert allerdings immer noch die autozentrierte Verkehrsplanung. Allein in München kommen auf 1,5 Millionen Einwohner und Einwohnerinnen mehr als 700.000 angemeldete Autos, obwohl die Stadt über ein großes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln verfügt. Dabei war global gesehen früher einmal fast jede Stadt fahrradfreundlich, bevor die Automobilbranche in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihren Aufschwung erlebte. Seitdem nehmen immer mehr Autos immer größere Flächen in Städten ein und verdrängen damit andere Verkehrsteilnehmer. Um dem entgegen zu wirken, ist es laut Thoem wichtig, die Straßenführung in den urbanen Räumen wieder so zu gestalten, dass der Fahrradfahrende oder Fußgänger auf direktem Weg ans Ziel kommt, während der Autofahrende unter Umständen Umwege in Kauf nehmen muss. Das stärkt die Attraktivität der Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel. Der Fokus aus dem 20. Jahrhundert, nämlich die Frage „Wie viele Autos kann ich durch die Straße bewegen?" muss sich wenden zu „Wie viele Menschen kann ich durch die Straßen bewegen?". Baut man Infrastruktur für platzsparende Verkehrsmittel wie das Fahrrad aus, kann man die Kapazitäten in den Straßen verzehnfachen.
Best Practice aus Kopenhagen
In Kopenhagen gibt es deshalb ausreichend breite und baulich getrennte Radwege von 2,2 bis fünf Metern Breite pro Spur, fahrradfreundliche Ampelschaltung für eine „Grüne Welle", vorgelagerte Radstreifen an Ampeln sowie sichere Kreuzungen. In Straßen mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von maximal 30 km/h können sich Rad- und Autofahrende die Straße teilen. Je höher die Geschwindigkeitsbegrenzung, umso wichtiger ist ein Extra-Radstreifen, ein baulich getrennter Radweg oder sogar Radrouten mit Pufferzonen, die streng (zum Beispiel durch Zäune) vom Autoverkehr getrennt sind. Letztere werden vor allem bei Geschwindigkeitsbegrenzungen zwischen 60 und 80 km/h eingesetzt. Thoem betont, dass die Gefahr von Verletzungen und Todesfällen bei Unfällen über 30 km/h Geschwindigkeit signifikant steigt. 
Überirdische Radbrücken in der Stadt verbinden verschiedene Stadtviertel, die „Cycle Snake" verknüpft das Hafengelände mit den Schienen, und sorgt so zusätzlich noch mal für mehr Radverkehr. Diese Brücke wird täglich von über 20.000 Radfahrenden genutzt. Aber auch kleinere Maßnahmen wie Haltestangen an den Ampeln erleichtern das Fahrradfahren. In einer jährlichen Umfrage geben die Kopenhagener an, sie nutzen das Fahrrad vornehmlich, weil es das schnellste und einfachste Verkehrsmittel ist. Thoem betont aber auch, dass das nur deshalb funktioniert, weil die entsprechende Infrastruktur in der Stadt vorhanden ist. In seinen Projekten auf der ganzen Welt hat sich gezeigt, dass mit besserer Infrastruktur immer auch mehr Menschen auf dem Fahrrad unterwegs waren, unabhängig von geografischen und politischen Gegebenheiten. 
Er appelliert deshalb an andere Städte, hier mehr Geld zu investieren. Dies würde sich schon allein auch deshalb lohnen, da Berechnungen zeigen, dass jede Autofahrt eine Stadt 71 Cent kostet, während jede Radfahrt 65 Cent einbringt. Mit all diesen Maßnahmen hat es die Stadt Kopenhagen geschafft, dass inzwischen 62 Prozent der Menschen aus Dänemark mit dem Fahrrad in die Stadt pendeln, 21 Prozent mit dem öffentlichen Verkehr und nur 9 Prozent mit dem Auto. Die Anzahl der Autos konnte außerdem insgesamt gesenkt werden.


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