Neustart von Fahrrad.de 17.05.2024, 11:48 Uhr

Rene Marius Köhler: „Muss ich das noch kommentieren?“

Vor kurzer Zeit ist der Versender Fahrrad.de (Stuttgart) neu durchgestartet. Der Gründer, frühere Geschäftsführer und neue Inhaber Rene Marius Köhler erklärt, was jetzt anders läuft und warum er den Fachhandel als wichtigen Partner sieht.
Rene Marius Köhler
(Quelle: Koehler Group)
SAZbike: Guten Tag Herr Köhler, warum haben Sie Internetstores zurückgekauft? 
Rene Köhler: „Weil das in mein Geschäftsmodell passt. Die Koehler Group beteiligt sich an Unternehmen, und Internetstores hat gute Aussichten. Natürlich steckt auch ein wenig Emotion dahinter.“
SAZbike: Warum überlassen Sie das Tagesgeschäft jetzt anderen? 
Köhler: „Weil das Unternehmen, ich selber und die Bedingungen nicht mehr so sind wie vor 20 Jahren. Ich halte Beteiligungen an vielen Firmen, manage einen Aktienfonds und bewirtschafte Immobilien in 13 Städten, das alleine ist schon mehr als ein Vollzeitjob. Dazu habe ich drei kleine Kinder und zwei Hunde und meine Frau will auch in Vollzeit arbeiten. Das Tagesgeschäft bei Internetstores aber kann man nicht nebenbei machen, dafür sind andere also besser geeignet als ich.“  
SAZbike: Die Geschäftsführer von Internetstores waren zuletzt Mitarbeiter der Koehler Group. Warum sind das die richtigen Leute für den Neustart?
RK: „Die drei Geschäftsführer Tamer Celen, Alexander Fiess, Jörg Schaible waren früher alle schon bei Internetstores, zusammen verfügen sie über 30 Jahre Betriebserfahrung. Mein Vertrauen in das Team ist so groß, dass ich die drei und weitere etwa fünf Mitarbeiter von Internetstores bereits 2022 und 2023 in der Koehler Group eingestellt habe, ohne zu wissen, welche Projekte wier am Ende verfolgen. Das war zu einer Zeit, als von etwa zwei Dutzend fähiger Männer und Frauen aus der ersten und zweiten Reihe immer mehr das Unternehmen verlassen haben. Als die Möglichkeit mit Internetstores kam, hat sich alles ineinandergefügt, und wir konnten sofort loslegen.“ 
SAZbike: Schön, dass die Übernahme geklappt hat. Was war im alten Unternehmen schief gelaufen? 
RK: „Das Signa-Management hat die Fahrradbranche nicht verstanden. Da wurde ein branchenfremder Manager mit Anfang 30 zum Aufsichtsratsvorsitz befördert, der wollte unbedingt die Zahlen verbessern. Der ist dann zu Shimano nach Japan geflogen, um denen zu erklären, sie sollten ihn direkt beliefern, also am jahrzehntelangen, vertrauten Shimano-Partner Paul Lange & Co. vorbei. Die arbeiten seit bald 60 Jahren zusammen. Muss ich das noch kommentieren?“
SAZbike: Nein. 
Köhler: „Gut. Noch ein Beispiel: Auf Endkundenseite wurde beispielsweise die Kartonstärke immer weiter reduziert, um den Einkauf zu verbilligen, aber dafür ist die Zahl der Reklamationen durch Transportschäden gestiegen. Und solche Beispiele gibt es zuhauf. Dafür hat man den Fokus aufs Wesentliche verloren: die Kunden und Kundinnen. Als sich der Umsatz vom Corona-Peak von 600 Millionen Euro im Jahr auf 300 Millionen Euro halbiert hat, wurden die Kostenstrukturen nicht angepasst. Das Unternehmen erwirtschaftete in den letzten zwölf Monaten einen Verlust von 500.000 Euro pro Arbeitstag.“
SAZbike: Man sagt, das Schlimmste an einer Insolvenz ist die Zeit davor, weil es danach wieder aufwärts geht.
Köhler: „Das müsste man die Betroffenen fragen, also die Angestellten. Viele haben ihre Arbeit verloren, Lieferanten haben einen sehr guten Kunden verloren, Anleger haben Geld verloren. Ich habe mit meinen Aktien über 70 Millionen US-Dollar verloren. Ich vermute aber, die meisten würden zustimmen, dass es so unmöglich weitergehen konnte. Und erst die Insolvenz hat es möglich gemacht, dass wieder aufwärts geht.“ 
SAZbike: Was ändert sich jetzt bei Internetstores? 
Köhler: „Im Prinzip alles, außer der Domain. Wir habe nichts mehr mit Wiggle oder Chain Reaction zu tun. Wir machen nur Internetstores. Aus dem skandinavischen Markt ziehen wir uns zurück, weil das nicht profitabel funktioniert, auch Pro Bike Shop in Südeuropa wurde an den Gründer verkauft. Internetstores hat fünf Lager in Europa betrieben, das war logistisch viel zu teuer. Das Sortiment war viel zu groß: Da gab es 200.000 Artikel, mit zig schwarzen Hosen von A-, B- und C-Marken. Wenn da ein Kunde angerufen hat, konnten die Beraterinnen und Berater am Telefon die Unterschiede kaum noch erklären. Das haben wir bereits verschlankt, unser Sortiment bauen wir von Grund auf. Wir betreiben weiterhin Fahrrad.de und Bikester, daran haben wir jeweils die Marke, die Domain und die Kundendaten sowie die stationären Geschäfte in Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt, beide Geschäfte in Stuttgart und Dortmund übernommen. Wir planen außerdem noch andere Dinge, aber ich will nichts ankündigen, sondern lieber mit Fakten überzeugen.“
SAZbike: Die Branche hat sich seit 2016 stark gewandelt, wichtiger geworden sind seitdem E-Bikes, Leasing und Werkstattleistungen. Wie begegnen Sie der Entwicklung? 
Köhler: „Die Themen E-Bike, Service und Leasing sind tatsächlich im stationären Handel einfacher zu bedienen als online. Darum bauen wir unsere stationäre Präsenz aus, vor allem mit Partnern, aber auch eigenen Geschäften. Diese Kooperationen mit Händlerinnen und Händlern pflegen wir, ich habe besonders die Vormontage im Blick. Gegenüber der Endkundschaft werden wir unsere stationären Standbeine, also auch die unabhängigen Fachhandelspartner, entsprechend bewerben.“
SAZbike: Herr Köhler, vielen Dank für das Gespräch.


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