Gegenbewegung
22.11.2022, 12:45 Uhr
Leihen, Tauschen, Reparieren: Wie Händler auf den Anti-Konsum-Tag reagieren
Zur anstehenden Cyber Week werden Alternativen zum Kaufkonsum für viele Konsumenten und Konsumentinnen immer wichtiger. Händler und Händlerinnen können mit Miet-Modellen auf den wachsenden Trend reagieren.
Zur anstehenden Cyber Week werden Alternativen zum Kaufkonsum für viele Konsumenten und Konsumentinnen immer wichtiger
(Quelle: Shutterstock/j.chizhe)
Heckenschere, Raclette, elektrische Eisenbahn - das sind nur ein paar der Dinge, die es im kürzlich eröffneten „Zukunftshaus“ in Würzburg zu leihen gibt. Was sie eint: Alles sind Gegenstände, die man meist nicht täglich benutzt, sondern nur gelegentlich. Statt sie teuer zu kaufen und platzraubend zu Hause zu lagern, kann man sie hier mieten.
„Leihen statt Kaufen“ ist ein Motto, dem immer mehr Menschen folgen. „Leihen und Reparieren ist immer da gewesen, aber es gibt jetzt neue technologische Möglichkeiten“, sagt der Konsumsoziologe Kai-Uwe Hellmann von der Technischen Universität Berlin. Alternativen zum Kauf werden verstärkt nachgefragt, wenn auch noch von einer Minderheit. In einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Yougov gab bereits 2018 jede zweite befragte Person an, Dinge zu reparieren. Kleidung zu mieten, konnte sich jede fünfte Person vorstellen. 39 Prozent wollten allgemein weniger kaufen, der Nachhaltigkeit zuliebe.
Kauf-Nix-Tag
Der Kauf-Nix-Tag, der in vielen Ländern jedes Jahr Ende November stattfindet, soll noch mehr Verbraucher und Verbraucherinnen dazu ermutigen, zumindest mal einen Tag lang nichts zu kaufen und vor allem: das eigene Konsumverhalten zu reflektieren. Macht es wirklich so viel Spaß, sich mit Einkaufstüten beladen durch die Menschenmassen der Innenstädte zu schieben? Brauche ich all die Sachen wirklich, die ich beim Online-Shopping bestellt habe?
In Deutschland und anderen europäischen Ländern wird der Kauf-nix-Tag am letzten Samstag im November begangen, in anderen Staaten wie den USA am Freitag. Das Datum ist kein Zufall: Es ist dann Black Friday, an dem Schnäppchen zum vorweihnachtlichen Kaufrausch verführen sollen.
Aktionen zum Kauf-Nix-Tag sollen das Gegenteil bewirken. Auch das „Zukunftshaus“ in Würzburg will zum Umdenken anregen. „Früher hatten Menschen entweder Gegenstände oder sie hatten sie nicht“, sagt Vorstand Matthias Pieper. Kaum jemand sei auf die Idee gekommen, sich zum Beispiel eine Eismaschine für den Kindergeburtstag zu leihen, statt sie zu kaufen. Nun sei das möglich.
Und wenn nun alle an Silvester das Raclette wollen? "„Dafür haben wir von manchen Gegenständen mehrere Exemplare“, sagt Pieper. Kunden und Kundinnen können im Zukunftshaus Dinge auch tauschen oder reparieren lassen. Ähnliche Alternativen finden sich auch andernorts: Leihläden, manchmal „Bibliothek der Dinge“ genannt, gibt es in mehreren Städten. Ebenso wie Repaircafés und Stationen zum Ablegen nicht mehr benötigter Dinge. Über soziale Medien und Online-Plattformen lassen sich Gegenstände in der Nachbarschaft borgen. Für Spielzeug und Kleidung bieten Unternehmen an, sie für einige Zeit zu leihen statt zu kaufen.
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Kanada, Schweden und den USA haben in einer Studie anhand von Tweets untersucht, warum Menschen beim Kauf-nix-Tag mitmachen. Die meisten Befürworter und Befürworterinnen versprachen sich demnach von weniger Konsum, glücklicher zu werden, indem sie ihre Zeit für wichtigere Dinge nutzen als Shopping - etwa um Freunde zu treffen, Sport zu machen oder Musik zu hören.
Einfach ist Verzicht oft nicht
Einfach ist Verzicht oft nicht - schließlich definieren wir uns ein Stück weit über die Dinge, die wir besitzen, wie Experten und Expertinnen erklären. Der Soziologe Colin Campbell ging sogar so weit, zu sagen: „I shop therefore I know that I am“ - Ich kaufe, darum weiß ich, dass ich bin. Und selbst wer verzichten möchte, schafft dies im Alltag nicht immer, Gewohnheit und Zeit stehen dem oft entgegen.
Dort möchte man Nachhaltigkeit alltagstauglicher machen: Als Standort leistet sich die dahintersteckende Genossenschaft die beste Lage in der Würzburger Innenstadt und lange Öffnungszeiten. Finanziell ist das nur möglich, weil es auch Produkte wie Kleidung zu kaufen gibt. Dass hier auch Leihen, Tauschen und Reparieren möglich ist, merken manche Kundinnen und Kunden erst beim Stöbern im Geschäft.