Miteinander oder gegeneinander
10.09.2021, 09:26 Uhr
Wie ergänzen sich Verkehrsträger in der Zukunft?
Die Diskussionsrunde unter dem Titel „Fahrrad, Mikromobilität, Transit und Autos: Ergänzung oder Rivalität?” widmete sich auf der IAA Mobility der Frage, wie ein ganzheitliches Mobilitätssystem am Besten erreicht werden kann.
In der Gesprächsrunde vor vollen Rängen auf der Summit Stage ging es vorrangig um die Frage, wie sich unterschiedliche Verkehrsmittel in der Stadt der Zukunft sinnvoll ergänzen können, anstatt gegeneinander zu arbeiten. Den Fragen der Moderatorin Maya Ben Dror (Lead Sustainable Automotive and Mobility beim Weltwirtschaftsforum) stellten sich Claus Fleischer (CEO Bosch eBike Systems), Daniel Deparis (Head of Urban Mobility Solutions, Mercedes-Benz AG), Jan Luedtke (Head of Strategic Partnerships bei Via), Stefan Marxreiter (Vizepräsident Automotive, Qualcomm) sowie Kirstin Hegner (Geschäftsführerin bei Digital Hub Mobility).
‚„Was macht ein gutes, sich ergänzendes Mobilitätssystem aus?“, lautete die Eröffnungsfrage der Moderatorin. Für Claus Fleischer (Bosch) ist klar, dass man mit dem Auto nicht mehr weiterkommen wird: „Wir haben unsere Städte um das Auto herum aufgebaut. Aber man sieht jetzt, dass das Auto in der Stadt durch Staus und andere Verkehrsbehinderungen nicht mehr ‚mobil' ist. Wir in der Fahrradindustrie haben unseren Teil zu neuer Mobilität beigetragen. Wir müssen mutiger sein, um unsere Innenstädte zu transformieren". Stefan Marxreiter (Qualcomm) sieht in der Digitalisierung den Weg in die Zukunft: Transformation und Elektrifizierung in der Automobilindustrie werde eine tragende Rolle spielen, da Nutzer dies nachfragen. Vernetzte Autos seien die Zukunft und man gehe davon aus, dass bis 2027 ungefähr 75 Prozent der Autos in irgendeiner Weise vernetzt sein werden.
Daniel Deparis (Mercedes) sieht einen nutzungsbasierten Ansatz als erfolgsversprechende Lösung: „Wir dürfen bei unseren Lösungen nicht vergessen, dass die Nutzer diese auch nutzen wollen. Wir glauben, dass manchmal das Fahrrad, manchmal die Bahn, der Bus oder eben das Auto am besten für kontextbasierte Mobilität geeignet sind. Zentral ist auch die Ausrichtung der Mobilität auf Basis von Daten, um genaue Lösungen für die Anforderungen zu bieten.“ Jan Luedtke (Via) pflichtet ihm bei: „Wir alle haben unterschiedliche Anforderungen in unserer Mobilität und wir müssen dafür intelligente Lösungen mit verschiedenen Mobilitätsformen bieten. Dazu gehören alle Verkehrsmittel.“ Kirstin Hegner (Digital Hub Mobility) fordert mehr Mut: „Wir versuchen, Innovation auf die Straße zu bekommen. Aber Menschen sind Gewohnheitstiere, wir müssen nicht jeden Tag die Mobilität neu erfinden. Wir glauben an urbane Experimente, um neue Lösungen zu schaffen und sie dann bei Erfolg zu skalieren. Nicht alles kann mit Apps gelöst werden, es braucht auch immer noch Menschen.“
Schnell verständigten sich die Gesprächsteilnehmer darauf, dass mehr Zusammenarbeit innerhalb der Industrie, aber auch zwischen Industrie und Politik entscheiden sein wird. Im Kern habe man dieselben Ziele, aber es fehle an Geschwindigkeit bei der Umsetzung und Infrastruktur. Dabei sahen die Sprecherinnen und Sprecher den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel als Rückgrat einer erfolgreichen Verkehrswende.
Fleischer und Hegner sehen in der Zukunft keinen Platz für noch mehr Autos in den Innenstädten, vielmehr würden Studien zeigen, dass viele Menschen auf das Auto verzichten könnten, wenn die Infrastruktur für alternative Verkehrsmittel ausreichend und sicher wäre. Deparis und Marxreiter sehen einen datenbasierten Ansatz als Schlüssel zum Erfolg. So könne man Verkehr und Bedürfnisse zielgenau ermitteln und auch die Sicherheit deutlich steigern. Dazu müsse man in Zukunft auch das Fahrrad vernetzen, sodass es beispielsweise mit Autos kommunizieren kann, so Marxreiter. Städte müssten dazu Kommunikations- und Warnsystem implementieren.
Wenn sich unterschiedliche Verkehrsmittel ergänzen sollen, geht das nur miteinander und nicht gegeneinander, zu diesem Ergebnis gelangten das Diskussionspanel. Daniel Deparis zeigt den möglichen Weg hin zur multimodalen Mobilität auf: „Wenn man über denselben Zweck spricht, kann man eine Menge erreichen. Jeder schaut, was er beitragen kann, sodass am Ende eine ganzheitliche Lösung entsteht.“