Demonstrationsverbot auf Autobahnen
15.12.2021, 12:50 Uhr
ADFC NRW kritisiert Landesregierung mit Verweis auf Grundgesetz
Der Fahrrad-Club ADFC in Nordrhein-Westfalen wirft der Landesregierung vor, dass diese durch eine geplante Änderung des Versammlungsrechts am 15. Dezember das Grundgesetz verletzt.
Axel Fell und Annette Quaedvlieg, die den Landesvorstand als Doppelspitze führen, sagen: „Aus der Begründung des Gesetzes der Landesregierung wird deutlich, dass gezielt Meinungsäußerungen von vermeintlichen ‚Autogegnern‘ unterdrückt werden sollen. Das widerspricht den Grundrechten auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit und damit dem Grundgesetz.“
Konkret wirft der ADFC NRW dem Land Nordrhein-Westfalen vor, seine Gesetzgebungskompetenzen zu überschreiten: Durch ein Demonstrationsverbot auf Bundesautobahnen greife die Landesregierung in die Zuständigkeit des Bundes ein, in dessen Gesetzgebungskompetenzen die Autobahnen nach Art. 74 des Grundgesetzes (GG) fallen. Der Fahrrad-Club fordert daher die Oppositionsparteien im Landtag Nordrhein-Westfalen auf, ihre Stimme gegen den Gesetzentwurf zu erheben und auf eine neuerliche Beratung zu bestehen.
ADFC sieht unrechtmäßige Einschränkung des Grundgesetzes
Das zunächst in der Gesetzesbegründung als Beispiel genannte Demonstrationsverbot auf Autobahnen stehe jetzt sogar ausdrücklich im Gesetz. In der Begründung heißt es demnach, dass auf Autobahnen kein kommunikativer Verkehr eröffnet sei. Deswegen dürften dort in der Praxis der Versammlungsbehörden keine Versammlungen erlaubt werden. Das trifft laut ADFC so pauschal nicht zu: Zwar habe das Oberverwaltungsgericht NRW in einzelnen Fällen Verbote von Fahrraddemos an oder auf Autobahnen für rechtmäßig erklärt. Es habe sich aber die Auffassung von Autobahnen als „versammlungsfreier Raum“ in einer älteren Entscheidung des OVG Niedersachsen nicht zu eigen gemacht. Der Bayerische und der Hessische Verwaltungsgerichtshof schließen Versammlungen auf Autobahnen nicht von vornherein aus. Besonders dann, wenn ein inhaltlicher Bezug zu diesem Versammlungsort bestand, seien Fahrraddemonstrationen auf Autobahnen zugelassen worden. Das entspreche der Bedeutung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit aus Artikel 8 GG. Es darf durch Landesgesetze eingeschränkt werden. Diese Gesetze dürfen aber keine übermäßige Beschränkung enthalten, vor allem dürfen sie sich nicht gegen Meinungsäußerungen richten.
Kritik kommt auch von der Opposition
Auch das Bündnis „Versammlungsgesetz NRW stoppen!“ sieht in dem Gesetz der Landesregierung einen versammlungsfeindlichen Ansatz und organisierte bereits Demonstrationen gegen die Pläne der politisch Verantwortlichen. Die Oppositionsparteien äußerten sich ebenfalls kritisch. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Verena Schäffer, sagte in einer Pressemitteilung, dass der Gesetzentwurf Versammlungen vor allem als eine potenzielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit behandle. Es handele sich also vielmehr um ein Demonstrationsverhinderungsgesetz, so Schäffer.
Demonstrationsverbote auf Autobahnen gab es in den letzten Jahren einige, zuletzt auch im Rahmen der IAA Mobility in München. Häufig bleibt den Demonstranten nur der Gang vor Gericht oder eine Umgehung der Autobahnen, obwohl solche Demos im Prinzip möglich sind. Das Recherche-Portal Netzpolitik.org hat das Versammlungsgesetz in einem umfassenden Beitrag näher beleuchtet.