Sicherheit am Lastenrad 15.04.2024, 08:43 Uhr

Ernst Brust fordert stärkere Bremsen

Der Sachverständige Ernst Brust fordert mehr Sorgfalt bei Bremsen: Bei Lastenrädern werden zu schwache Exemplare montiert, Hitze und Frost beeinträchtigen die Bremsleistung.
Ernst Brust
(Quelle: Velotech.de)
Die Bremsanlage eines Pedelecs muss grundsätzlich alle relevanten Punkte der DIN 79010 erfüllen. Für ein einspuriges E-Lastenrad beträgt die zulässige Gesamtmasse 250 Kilogramm, für ein mehrspuriges 300 Kilogramm. Dies deckt bereits ein breites Spektrum an Anforderungen ab, jedoch muss genau darauf geachtet werden, was tatsächlich freigegeben ist. Einer der wichtigsten Parameter ist das zulässige Bremsgewicht. „Viele renommierte Bremsenhersteller geben in ihrer Konformitätserklärung das Bremssystem zunächst nur für eine zulässige Gesamtmasse von 120 Kilogramm frei“, sagt Ernst Brust, Sachverständiger und Gründer des Prüfinstituts Velotech.de. Diese Gesamtmasse entspricht jedoch nicht den realen Anforderungen, da viele E-Lastenräder bereits eine Eigenmasse von etwa 40 Kilogramm haben. Damit bleibt nur eine Reserve von 80 Kilogramm für Fahrer und Gepäck.
Das Durchschnittsgewicht eines deutschen Mannes im Alter zwischen 40 und 60 Jahren liegt in der Regel zwischen 80 und 100 Kilogramm, kann jedoch je nach individuellen Faktoren wie Größe, Muskelmasse und Gesundheitszustand variieren. Hinzu kommen noch der Kindertransport und etwas Ausrüstung und Gepäck, so dass das Gesamtgewicht schnell bei 180 bis 200 Kilogramm liegt. Bei Personen mit überdurchschnittlichem Gewicht kann die Gesamtmasse sogar höher sein. Die Bremsanlage hat hier viel zu tun, egal ob bei langen Abfahrten, im Stop-and-Go-Verkehr oder bei verschiedenen Witterungseinflüssen.

Objektivität auf dem Prüfstand

Einer der wenigen vorgeschriebenen Tests aus der DIN 79010 bezieht sich explizit auf die zulässige Gesamtmasse. Dies ist sinnvoll, da die Bremskraft direkt proportional zur zulässigen Gesamtmasse steigen muss. Bei diesem Test werden die Bremskräfte in Abhängigkeit der Handkraft gemessen. „Diese Messprozedur ist sehr anspruchsvoll und zeigt mögliche Schwächen der Bremsanlage, insbesondere in Bezug auf die thermische Standfestigkeit und bei Nässe, schnell auf“, sagt Ernst Brust. Ein Test auf dem Bremsenprüfstand ist sicherer und reproduzierbarer als eine einfache Stoppbremsung im Außenversuch.

Wärmestandfestigkeit wird vernachlässigt

Die thermische Standfestigkeit ist gerade im bergigen Gelände wichtig. Spätestens auf den großen Straßen der Alpen ist neben der Bremskraft auch die dauerhafte Temperaturbeständigkeit der Anlage von Bedeutung. Ein solcher Test kann nur auf einem Prüfstand mit entsprechender Sicherheit und Wiederholgenauigkeit durchgeführt werden. Ernst Brust hat dabei festgestellt, dass Bremsanlagen oft den eigentlichen Versuch der Wärmestandfestigkeit bestanden haben, aber die Reibungseigenschaften von Belag und Scheibe sich dabei so stark verändert haben, dass die Bremskraft auch nach Abkühlung deutlich schlechter war als zuvor. „Teilweise war die Bremskraft sogar so schwach, dass auch bei einer kurzen Außenbremsung keine zufriedenstellenden Anhaltewege mehr erreicht werden konnten“, so Brust.
Die Dauerstandfestigkeit sollte dringend wieder in die DIN 79010 aufgenommen werden, weil die zuvor beschriebenen Tests keinen realistischen Lebenszyklus einer Bremsanlage abbilden, findet Ernst Brust.

Umweltprüfungen bei Hitze und Frost

Hierbei handelt es sich momentan noch um ein neu zu betretendem Prüffeld – im gesamten Pedelec-Segment und nicht nur bei den Bremsen. Zu prüfen wäre die langfristige Auswirkung von UV-Strahlung oder das Verhalten der Bremsanlage bei starker Temperaturschwankung und häufigem Wasserkontakt. Auch die Folgen von Frost und Salzwasser wären mögliche Prüfbereiche, weiß Brust aus Erfahrung. So habe sich beispielsweise an einem Testrad nach dreimonatiger Nutzung im Winter ein schweres Defizit gezeigt: Der Bremsbelag hat sich auf drei von vier Pads von der Trägerplatte komplett abgelöst und ist zerbrochen.



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