Verkehrsunfälle
30.11.2022, 10:01 Uhr
Versicherungen: Tempo 30 nicht entscheidend für sicheren Radverkehr
Große Teile der Fahrradbranche fordern Tempo 30 für mehr Verkehrssicherheit. Die Unfallforschung der Versicherer meint: Das bringt nur wenig. Wichtiger sind zwei andere Maßnahmen.
Die UDV stellt fest, das Tempo 30 die Verkehrssicherheit kaum erhöht.
(Quelle: Shutterstock / FrankHH)
Zu hohe Geschwindigkeiten werden immer wieder als Hauptursache bei Unfällen auf deutschen Straßen genannt. Als Beleg dafür werden Verkehrsunfalldaten des statistischen Bundesamtes herangezogen. Mit diesen Daten werden landesweite Maßnahmenprogramme zur Verkehrssicherheit entwickelt und Forderungen nach reduzierten zulässigen Höchstgeschwindigkeiten gestellt.
Die Analyse der amtlichen Unfallstatistik zeigt aber: Zwar entsteht ein nennenswerter Anteil der Verkehrsunfälle durch die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Für das Unfallgeschehen insgesamt ist aber die zwar erlaubte, aber der jeweiligen Situation nicht angepasste Geschwindigkeit ausschlaggebender.
„Insbesondere innerorts geschehen viele folgenschwere Unfälle schon heute im sehr niedrigen Geschwindigkeitsbereich. Eine allgemeine Reduktion der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf Innerortsstraßen auf 30 km/h wird daher insgesamt gesehen nur einen geringen positiven Einfluss auf die Verkehrssicherheit haben“, so die Unfallforschung der Versicherer.
Tempo 30 könnte drei Prozent der tödlichen Fahrradunfälle verhindern
Für das Unfallgeschehen auf Stadtstraßen hat die UDV hat rund 1,5 Millionen Unfälle mit Personenschaden ausgewertet. Die Unfallursache „nicht angepasste Geschwindigkeit“ wird dabei nur bei zehn Prozent der Unfälle genannt. Innerorts sind demnach also andere Ursachen vorherrschend.
Eine allgemeine innerörtliche Höchstgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern kann sich nur auf die Unfälle auswirken, die auf Straßen stattfinden, die nicht schon heute geschwindigkeitsreduziert sind. Zudem würde sie sich im Wesentlichen auch nur auf die Unfälle auswirken, die durch Kraftfahrzeuge verursacht werden. Laut den ausgewerteten polizeilichen Unfalldaten trifft dieses auf 17 Prozent aller innerörtlichen Unfälle mit Getöteten zu. Bei Radverkehrsunfällen mit Getöteten sind es drei Prozent, bei Fußverkehrsunfällen mit Getöteten zehn Prozent.
Schwerverletzte: Tempo 30 nur bei einem Prozent relevant
Vorausgesetzt, dass auf allen Straßen Tempo 30 angeordnet und eingehalten wird, könnte damit etwa jeder sechste Unfall mit Getöteten adressiert werden. Bei Unfällen mit Schwerverletzten könnten durch Tempo 30 auf allen innerörtlichen Straßen neun Prozent aller Unfälle adressiert werden; bei Radverkehrsunfällen ein Prozent und bei Fußverkehrsunfällen vier Prozent.
82 Prozent der Fahrradunfälle mit Auto bei unter 30 km/h
Ergänzende Analysen zu Fuß- und Radverkehrsunfällen mit Hilfe der UDV unterstützen diese Einschätzung. Es zeigt sich, dass die meisten dieser Unfälle bei relativ geringen Geschwindigkeiten des Pkw stattfinden, wobei bei Radfahrunfällen deutlich niedrigere Geschwindigkeitswerte zu verzeichnen sind als bei Unfällen mit zu Fußgängern und Fußgängerinnen. So ist beispielsweise der Pkw in 71 Prozent der Unfälle mit zu Fuß Gehenden und in 90 Prozent der Fälle mit Radfahrenden nicht schneller als 40 km/h gefahren. 82 Prozent der Radfahrunfälle und 56 Prozent der Fußgängerunfälle fanden bei Pkw-Geschwindigkeiten von nicht mehr als 30 km/h statt.
UDV empfiehlt bessere Radwege und Sicherheitskampagnen
Auch eine zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h lasse insgesamt nur einen geringen Einfluss auf die Reduzierung schwerer Verkehrsunfälle erwarten. Ein deutlich größeres Potenzial könnte allerdings in der wirkungsvollen Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf Landstraßen auf 80 km/h liegen.
Die UDV folgert, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit nur ein Faktor bei der Erreichung dieses Ziels ist und empfiehlt weitere Verbesserungen der Fahrzeugtechnik, der Fahrerassistenzsysteme aber auch der Verkehrsinfrastruktur sowie Sicherheitskampagnen für am Verkehr teilnehmende Personen. Dies sei mindestens ebenso wichtig, wenn nicht sogar ausschlaggebender für die Vision Zero, so die UDV in ihrem hier einsehbaren Studie. In der aktuellen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung ist die „Vision Zero“, also null Verkehrstote, als Grundlage aller verkehrlichen Maßnahmen verankert.