Nach Beschwerden von Händlern
30.11.2018, 12:00 Uhr
Bundeskartellamt: Missbrauchsverfahren gegen Amazon
Das Bundeskartellamt hat ein Missbrauchsverfahren gegen Amazon eingeleitet. Grund dafür sind Beschwerden von Händlern über die Geschäftspraktiken auf dem deutschen Marktplatz Amazon.de.
Einbehaltene oder verzögerte Zahlungen, Kontosperrungen oder intransparente Kündigungen: Die Liste von Vorwürfen gegen den Internet-Riesen Amazon ist lang. Nun hat das Bundeskartellamt nach massiven Beschwerden ein Missbrauchsverfahren gegen Amazon eingeleitet.
Konkret geht es um das Verhalten des weltgrößten Online-Unternehmens gegenüber Händlern auf dem deutschen Marktplatz Amazon.de. Dabei seien mögliche missbräuchliche Geschäftspraktiken auf dem Prüfstand, teilte das Bundeskartellamt am Donnerstag mit.
„Amazon ist selbst der größte Online-Händler und das Unternehmen betreibt den mit Abstand größten Online-Marktplatz in Deutschland", sagte der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, in Bonn. Viele Händler und Hersteller seien beim Vertrieb im Internet auf die Reichweite des Amazon-Marktplatzes angewiesen.
Doppelrolle zu Lasten der Marktplatz-Händler
Das Kartellamt prüft nun, ob Amazon seine Doppelrolle zu Lasten der Marktplatz-Händler ausnutzt. Ziel sei es, die Geschäftsbedingungen und Verhaltensweisen von Amazon gegenüber den Händlern umfassend zu untersuchen, hieß es.
Dazu zählen Haftungsregeln zu Lasten der Händler, intransparente Kündigungen und Sperrungen von Konten sowie einbehaltene oder verzögerte Zahlungen. Voraussetzung für die kartellrechtlichen Ermittlungen sei unter anderem eine marktbeherrschende Position des Internet-Konzerns in Deutschland und die Tatsache, dass die Händler von Amazon abhängig seien. „Für beides liegen Anhaltspunkte vor", hieß es in der Mitteilung.
Amazon mit Deutschlandsitz in München erklärte, die Hälfte aller weltweit bei dem Internet-Händler verkauften Produkte komme von kleinen und mittleren Unternehmen. Dadurch könnten die Firmen Hunderte von Millionen Kunden weltweit erreichen und mit großen Handelsmarken konkurrieren. Amazon werde ferner „vollumfänglich mit dem Bundeskartellamt kooperieren und weiterhin daran arbeiten, kleine und mittlere Unternehmen in ihrem Wachstum zu unterstützen."
Allmacht Amazon
Dass die Marktmacht des US-Riesen stetig zunimmt, steht in der Branche außer Zweifel. Laut Handelsverband HDE wurden 2017 im deutschen Online-Handel insgesamt Waren im Wert von knapp 49 Milliarden Euro verkauft - 46 Prozent davon über Amazon.
Auf den Amazon-Marktplatz über dritte Händler entfiel ein Viertel der Gesamtumsätze, 2009 waren es erst vier Prozent. Laut Bundeskartellamt hat auch die EU-Kommission begonnen, Amazon zu untersuchen. Dabei geht es vor allem um den Datengebrauch durch Amazon zu Lasten der Händler.
In den USA sehen die Amazon-Zahlen noch eindrucksvoller aus: Dort werden die Online-Umsätze in diesem Jahr nach einer Prognose des Marktforschungsinstituts eMarketer 526 Milliarden US-Dollar (465 Milliarden Euro) erreichen, fast zehnmal so viel wie in Deutschland - und knapp die Hälfte davon läuft über Amazon.
Prominentester Feind des Unternehmens ist US-Präsident Donald Trump, der Amazon mehrfach vorgeworfen hat, zu wenig Steuern zu zahlen und die staatliche Post übers Ohr zu hauen. Amazon-Chef Jeff Bezos ist gleichzeitig Eigentümer der Trump-kritischen „Washington Post".
Zwickmühle: Hassliebe
„Grundsätzlich können Händler auch ihren eigenen Shop haben. Das Problem ist nur, dass man heutzutage gar nicht gefunden wird", beschreibt Kartellamtssprecher Kai Weidner das Problem. Damit sei Amazon mittlerweile zu einer Art „Nadelöhr" für kleine Internet-Händler geworden. Doch die Wettbewerbshüter stehen erst am Anfang ihrer Ermittlungen. Nach Einschätzung von Beobachtern können sich solche Verfahren über Jahre hinziehen.
Beim Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) weist Hauptgeschäftsführer Christoph Wenk-Fischer auf die Zwickmühle vieler Online-Händler hin. „Der Vorteil am Marktplatz ist, es gibt keine Marketingkosten", sagte er. Im Gegenzug müssen die Händler jedoch oft hohe Provisionen bezahlen. Wie der Beispielrechner auf der Amazon-Webseite zeigt, liegen die Gebühren für Verkauf und Versand oft bei mehr als zehn Prozent des Verkaufspreises.
Die Grünen fordern eine europäische Netzaufsicht für eine effektive Kontrolle weltweit agierender Konzerne: „Amazon ist zur zentralen Infrastruktur des Internets geworden", sagte die Bundestagsabgeordnete Katharina Dröge. „Für viele Händler ist Amazon heute so wichtig wie Straßen und Telefonanschluss." Eine europäische Digitalaufsicht solle den diskriminierungsfreien Zugang kontrollieren und sicherstellen.