StVG-Novelle verabschiedet
17.06.2024, 08:48 Uhr
ADFC und Agora Verkehrswende: Straßenverkehrsordnung modernisieren
Bundestag und Bundesrat haben am Freitag, 14. Juni die lange umstrittene Novelle des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) verabschiedet. Der ADFC und Agora Verkehrswende erklären ihre nächsten Ziele.
Im Kern ging es darum, die Ziele Klimaschutz, Gesundheit und städtebauliche Entwicklung neu im Gesetz zu verankern, um den Kommunen mehr Spielräume beispielsweise zur Einrichtung von Fahrradstraßen, Busspuren und Fußgängerüberwegen zu verschaffen. Auch die Anordnung von großflächigem Tempo 30 sollte erleichtert werden. Der Fahrradclub ADFC hat sich seit Jahren für die Modernisierung stark gemacht. Er begrüßt die StVG-Novelle, mahnt aber weitere Schritte zugunsten der Verkehrssicherheit an.
ADFC-Bundesgeschäftsführerin Caroline Lodemann sagt: „Es war höchste Zeit, dass das angestaubte Straßenverkehrsgesetz endlich in der komplexen Verkehrsrealität von heute ankommt und Möglichkeiten für eine klima- und menschenfreundliche Gestaltung der Straßen eröffnet. Mit der Reform werden Kommunen in der Lage sein, geschützte Radfahrstreifen, Fahrradstraßen und mehr Tempo 30 einzurichten und so zügig die zahllosen Lücken im Radwegenetz zu schließen, ohne durch unsinnige Bürokratie ausgebremst zu werden. Jetzt geht es darum, die Straßenverkehrsordnung und die technischen Regelwerke ebenfalls auf Klimakurs zu bringen. Die Zeit drängt, denn schon 2030 soll Deutschland ein Fahrradland mit durchgängigen, attraktiven und sicheren Radwegenetzen sein.“
Bekenntnis zur Vision Zero fehlt
Der ADFC kritisiert jedoch, dass auch im neuen StVG ein klares Bekenntnis des Gesetzgebers zur Vision Zero fehlt. Und das, obwohl das Ziel eines Verkehrs ohne Tote und Schwerstverletzte ausdrücklich das Leitbild des Verkehrssicherheitsprogramms des Bundes ist. Damit fehlt ein eindeutiger Maßstab dafür, was mit dem Ziel Verkehrssicherheit im StVG überhaupt gemeint ist. Eine Reduzierung der Blechschäden beispielsweise reiche dafür nicht aus, so der ADFC. Lodemann: „Die Sicherheit der ungeschützten Verkehrsteilnehmenden - also der Kinder und Erwachsenen, die zu Fuß gehen oder mit dem Rad unterwegs sind - muss höchste Priorität im Verkehrsrecht haben.“
Begründungszwang für Radwege abschaffen
Dem Paradigmenwechsel im StVG entsprechend müssen nun auch zügig die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und die technischen Regelwerke für den Straßenbau modernisiert werden. Der ADFC fordert die Abschaffung des Begründungszwangs für die Einrichtung von Radwegen. Auch sollen Radwege Priorität gegenüber Kfz-Parkplätzen haben. Tempo 30 soll innerorts Regelgeschwindigkeit werden, Tempo 50 die Ausnahme. Die Regelwerke müssen an der Vision Zero ausgerichtet werden und Vorgaben zur Verkehrsverlagerung machen, so wie es im Regelwerk „E Klima 2022“ bereits vorformuliert ist.
Agora Verkehrswende: Straßenverkehrsordnung weiterentwickeln
Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende sagt: „Das Straßenverkehrsgesetz setzt erst einmal nur den Rahmen. Deshalb kommt es jetzt darauf an, auch die Straßenverkehrsordnung im Sinne der Gesetzesreform weiterzuentwickeln. Für die nächste StVO-Novelle liegt bereits seit letztem Jahr ein abgestimmter Entwurf vor, der zwar noch nicht alle Möglichkeiten ausschöpft, aber für einige Bereiche Verbesserungen bringt. Dieser Kompromiss sollte möglichst noch vor der Sommerpause beschlossen werden, um keine weitere Zeit zu verlieren. Viele Kommunen warten darauf, sich auf einer neuen Rechtsgrundlage für lebenswertere Städte und Gemeinden einsetzen zu können. Mit der geplanten StVO-Novelle könnten sie schon an einigen Punkte ansetzen. Eine konsequente Ausrichtung der StVO an den erweiterten Zielen des neuen Straßenverkehrsgesetzes ebnet nicht nur den Weg für mehr Lebensqualität, sie sorgt auch für mehr Rechtssicherheit und führt damit zur Entlastung der Verwaltungen und zu weniger Bürokratie.“
Hintergrund zur StVG-Novelle
Das Straßenverkehrsrecht definiert die Möglichkeiten und Grenzen des kommunalen Handelns, etwa wenn es darum geht, Busspuren und Radwege einzurichten, Höchstgeschwindigkeiten den örtlichen Begebenheiten anzupassen oder das Parken im öffentlichen Raum zu regeln. Das veraltete Straßenverkehrsgesetz war in erster Linie auf den flüssigen Autoverkehr ausgelegt. Es führte in der Praxis dazu, dass geschützte Radfahrstreifen, Fahrradstraßen oder großflächiges Tempo 30 außerhalb von Wohnquartieren oftmals nicht umgesetzt werden konnten. Die Ampelkoalition hat die Reform des StVG im Koalitionsvertrag festgeschrieben und im Herbst 2023 einen brauchbaren Gesetzesvorschlag gemacht. Im November 2023 lehnten die Bundesländer das vom Bundestag bereits beschlossene Gesetz jedoch unerwartet ab. Nach mehrmonatigen Verhandlungen konnte im Juni 2024 ein Kompromiss erzielt und der Vermittlungsausschuss angerufen werden. Heute wurde die StVG-Novelle von Bundestag und Bundesrat bestätigt. Damit kann das Gesetz schon in wenigen Tagen in Kraft treten und dem Bundesverkehrsminister Änderungen der StVO ermöglichen.