Kampf gegen Ausbeutung 25.02.2022, 15:36 Uhr

Neues Lieferkettengesetz: Was müssen Online-Händler tun?

Am 1. Januar 2023 wird das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft treten. Betroffen sind zunächst Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten. Die Umsetzung der Regelungen ist mit einem hohen finanziellen, zeitlichen und organisatorischen Aufwand verbunden.
Ab Januar 2023 tritt ein Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft. 
(Quelle: Shutterstock / Zaie)
Nach dem neuen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sollen Unternehmen Kinderarbeit und andere Menschenrechtsverletzungen bei Zulieferern nicht mehr tatenlos hinnehmen können. „Eine menschenrechtlich wie umweltpolitisch nachhaltige und verantwortungsvolle Unternehmensführung muss zum Standard werden – das neue Lieferkettengesetz ist auf diesem Weg ein wichtiger Meilenstein“, heißt es auf der Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Verletzungen der Menschenrechte sowie Schädigungen der Umwelt sind demnach „zu identifizieren, zu vermeiden oder zu minimieren“. Dazu gehören neben Kinderarbeit auch Sklaverei und Zwangsarbeit, die Missachtung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, die Vorenthaltung eines angemessenen Lohns, die Missachtung des Rechts, Gewerkschaften beziehungsweise Mitarbeitervertretungen zu bilden, die Verwehrung des Zugangs zu Nahrung und Wasser sowie der widerrechtliche Entzug von Land und Lebensgrundlagen.

LkSG: Welche Unternehmen sind betroffen?

Die Vorgaben des neuen Gesetzes müssen ab dem 1. Januar 2023 umgesetzt werden. Es gilt für alle Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten. Ab dem 1. Januar 2024 sinkt die Grenze auf 1.000 Beschäftigte. Zudem müssen die Unternehmen ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung oder ihren Sitz in Deutschland haben. „Direkt sind angesichts der notwendigen Mindestanzahl an Beschäftigten somit nur die allerwenigsten Onlinehändler betroffen“, sagt Marcus Beckmann, Rechtsanwalt und Mitbegründer der Kanzlei Beckmann und Norda in Bielefeld.
Indirekt können auch kleinere Unternehmen in Deutschland betroffen sein, erklärt Beckmann: „Ist der Händler Bestandteil der Lieferkette eines Unternehmens, für welches das LkSG gilt, wird dieses Unternehmen durch entsprechende vertragliche Regelungen dafür Sorge tragen, dass alle Teile der Lieferkette die rechtlichen Vorgaben des LkSG einhalten.“
Marktplätze wie Amazon, Ebay, Otto oder Zalando fallen aufgrund ihrer Unternehmensgröße unter das Lieferkettengesetz. Kleinere Händler und Händlerinnen, die ihre Ware dort vertreiben, müssen sich allerdings keine Sorgen machen – sofern sie ihre Produkte auf eigene Rechnung verkaufen.
Anders verhält es sich, wenn die Produkte auf Rechnung des Marktplatzbetreibers verkauft werden. Dann, so der Jurist, „dürfte der Händler wiederum Bestandteil der Lieferkette des Markplatzbetreibers sein. Dies hätte dann zur Folge, dass der Markplatzbetreiber den Händler zur Einhaltung der Standards vertraglich verpflichten wird.“

Sorgfaltspflichten nach dem Lieferkettengesetz

Der Gesetzgeber erlegt den betroffenen Unternehmen acht konkret beschriebene Sorgfaltspflichten auf:
  1. Einrichtung eines Risikomanagements
  2. Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit
  3. Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen
  4. Abgabe einer Grundsatzerklärung
  5. Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich, gegenüber unmittelbaren Zulieferern sowie – bei Anhaltspunkten für mögliche Verletzungen – bei mittelbaren Zulieferern
  6. Ergreifen von Abhilfemaßnahmen
  7. Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens
  8. Dokumentation und die Berichterstattung
Ein Verstoß gegen diese Pflichten kann teuer werden: Bis zu acht Millionen Euro Bußgeld oder bis zu zwei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes bei Unternehmen mit mehr als 400 Millionen Euro Jahresumsatz sieht das Gesetz in solchen Fällen vor. Am leichtesten dürfte wahrscheinlich die Abgabe der Grundsatzerklärung zu den Menschenrechten (Punkt vier) fallen. Online-Händler sollten diese auf ihrer Website veröffentlichen. Große Händler, wie die Online-Shops der Otto Group, haben diese Vorgabe bereits umgesetzt.

Praktische Umsetzung ist aufwändig

Davon abgesehen ist die praktische Anwendung der neuen Regelungen extrem aufwändig. „Möglichkeiten, den Aufwand überschaubar zu halten, gibt es im Grunde nicht“, so Marcus Beckmann. Ihm zufolge reicht es nicht, wenn sich ein Unternehmen die Achtung der Menschenrechte von seinen Lieferanten schriftlich bestätigen lässt: „Das LkSG sieht auch vor, dass die Einhaltung der Standards gegebenenfalls auch vom Unternehmen überprüft werden müssen. Eine schriftliche Bestätigung allein reicht nicht.“ Gelegentlich kommt es vor, dass Paketdienste durch die Ausbeutung ihrer Lieferfahrer Schlagzeilen machen. Versender, deren Shop unter das LkSG fällt, müssen künftig auch bei ihren KEP-Dienstleistern genauer hinsehen. „Zur Lieferkette gehört nach § 2 Abs. 5 LkSG auch die Lieferung an den Endkunden, so dass auch Paketdienste zur Lieferkette gehören und die Standards einhalten müssen“, sagt der Rechtsanwalt.
Unternehmen müssen ihre Bemühungen um die Einhaltung der Menschenrechte in einem jährlichen Bericht dokumentieren. Der muss spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahrs beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingereicht, auf der Unternehmenswebseite öffentlich zugänglich gemacht werden und dort für sieben Jahre verfügbar sein. Unterstützung bei der Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes geben unter anderem die Industrie- und Handelskammern. Auch diverse Unternehmensberatungen wie PwC sind inzwischen auf den Zug aufgesprungen und bieten Consulting dazu an.

Bärbel Edel
Autor(in) Bärbel Edel



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