Verkehrspolitik 20.03.2023, 12:50 Uhr

VCD: Verkehr bleibt Sorgenkind beim Klimaschutz

Mit dem Klimaschutzgesetz hat die alte Bundesregierung aus Union und SPD 2019 erstmals verbindliche Vorgaben für den Treibhausgasausstoß in Deutschland verabschiedet. Bisher erschwert vor allem der Verkehrssektor die Einhaltung.
Der VCD fordert stärkere Anstrengung beim Klimaschutz.
(Quelle: Shutterstock / Chayanuphol)
Der Verkehrsclub Deutschland bezeichnet das Klimaschutzgesetz als Erfolg der SPD-Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. Bereits zwei Jahre später wurden die Vorgaben verschärft. Zum einen wurde das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 aufgegriffen – es forderte, die Vorgaben im Klimaschutzgesetz für die Zeit nach 2030 zu konkretisieren, und begründete dies mit den Freiheitsrechten nachfolgender Generationen. Zum anderen wurden die Klimaziele zuvor bereits auf europäischer Ebene nachgeschärft, nämlich im Rahmen des Programms „Fit for 55“. Damit gelten aktuell folgende Vorgaben:
  • Ab 2045 soll Deutschland treibhausgasneutral sein.
  • Bis 2030 sollen die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken, bis 2040 um 88 Prozent
Das Besondere am Klimaschutzgesetz: Es legt auch einen verbindlichen Zielpfad für die einzelnen Sektoren fest, mit jährlichen Reduktionszielen und einem Mechanismus zum Nachsteuern bei Zielüberschreitung. Danach muss der Verkehr seine Emissionen bis 2030 um 48 Prozent gegenüber 1990 verringern. Da die Emissionen 2019 mit 164 Millionen Tonnen auf dem Ausgangsniveau von 1990 lagen, muss der Ausstoß in den kommenden Jahren um nahezu die Hälfte auf dann 85 Millionen Tonnen sinken.

Expertenrat prüft Einhaltung

Für das Monitoring der Emissionen ist ein neu geschaffener „Expertenrat für Klimafragen“ zuständig, der prüft, ob die jährlichen Vorgaben eingehalten wurden. Überschreitet ein Sektor sein Emissionsziel, so muss das zuständige Ministerium laut Klimaschutzgesetz innerhalb von drei Monaten ein Klimaschutzsofortprogramm vorlegen – mit konkreten Maßnahmen, die den Sektor schnellstmöglich wieder auf Klimakurs bringen. Die Maßnahmen werden ebenfalls vom Expertenrat bewertet.

Verkehrs- und Gebäudesektor sind das Sorgenkind beim Klimaschutz

2020 lag der Treibhausgas-Ausstoß pandemiebedingt unterhalb der Zielmarke, doch bereits ein Jahr später hat der Verkehr seine Vorgaben überschritten: Statt der erlaubten 145 Millionen Tonnen lagen sie in 2021 bei 147 Millionen, also um zwei Millionen Tonnen zu hoch. Entsprechend stellte der Expertenrat für Klimafragen Mitte April 2022 fest, dass Bundesverkehrsminister Volker Wissing bis Mitte Juli ein Sofortprogramm vorlegen müsse. Gleiches galt für den Gebäudesektor, der ebenfalls zu viel emittiert hatte.
Bereits die Entwicklung der Emissionen bis 2019 zeigt, dass der Verkehrssektor vor großen Herausforderungen steht. Statt zu sinken, stagnieren die Emissionen bestenfalls. Das gefährdet die nationalen, aber auch die internationalen Klimaziele. So geht der letzte Projektionsbericht der Bundesregierung zur Klimaberichterstattung davon aus, dass der Verkehr das Zwischenziel 2030 um mehr als 40 Millionen Tonnen verfehlt. Der Projektionsbericht wird alle zwei Jahre erstellt und analysiert, wie sich aktuell umgesetzte und geplante Klimaschutzmaßnahmen auf die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland bis zum Jahr 2050 auswirken.

Verkehrsminister ohne Anspruch beim Klimaschutz

Verkehrsminister Wissing hat zwar im Sommer letzten Jahres ein Sofortprogramm vorgelegt. Allerdings enthält sein Papier lediglich sechs Maßnahmen, mit denen er die Einhaltung lediglich bis 2030 sicherstellen will. Das Maßnahmenprogramm provozierte nicht nur die Kritik des VCD und anderer Verbände. Auch der Expertenrat urteilte, das Papier sei ohne jeglichen Anspruch und erfülle nicht die Vorgaben an ein Sofortprogramm. Zudem verweigert Minister Wissing bis heute auch die Mitarbeit am übergreifenden Klimaschutz-Sofortprogramm, dass laut Koalitionsvertrag bis Ende 2022 beschlossen werden sollte.
Der Treibhausgas-Ausstoß im Verkehr ist auch im letzten Jahr gestiegen und hat mit 148 Millionen Tonnen sein Emissionsziel um neun Millionen Tonnen verfehlt.
Damit begehen Volker Wissing bzw. die Bundesregierung insgesamt Rechtsbruch. Denn das Klimaschutzgesetz verlangt, dass die Bundesregierung „schnellstmöglich“ Maßnahmen beschließt, wenn die Emissionen zu hoch ausfallen, damit die Minderungsziele bereits im Folgejahr eingehalten werden. Dies bestätigt auch ein Rechtsgutachten im Auftrag von Germanwatch. 

Was jetzt getan werden muss?

Nun ist es Aufgabe des Bundeskanzlers, schnell wirkende Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr rasch durchzusetzen. Dies umso mehr, als der Verkehr nun zum zweiten Mal in Folge seine Vorgaben überschritten hat. Die notwendigen Maßnahmen liegen seit Jahren auf dem Tisch, doch mit jeder Verzögerung sind die Ziele schwieriger zu erreichen. Auch das übergreifende Klimaschutz-Sofortprogramm muss Maßnahmen für den Verkehr enthalten und umgehend beschlossen werden. Folgende Punkte müssen aus Sicht des VCD enthalten sein:
  • Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts für mehr Klimaschutz und Verkehrssicherheit
  • Mehr Tempo und Ressourcen für den Ausbau des Umweltverbunds: Mehr Geld und Planungskapazitäten für zusätzliche Angebote bei Bus und Bahn sowie sichere Rad- und Fußwegenetze, mehr Kapazitäten für Personen und Güter auf der Schiene schaffen, Digitalisierung beschleunigen
  • Straßenverkehrsrecht reformieren: Kommunen mehr Handlungsspielraum für die Verkehrswende vor Ort geben


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