Krankheit durch mangelnde Bewegung
13.10.2023, 12:41 Uhr
Studie: Höhere Mineralölsteuer und mehr Radverkehr können Gesundheit fördern
Zu Fuß gehen und Radfahren hat viele gesundheitliche Vorteile – und sollte deshalb bei der Ausgestaltung der Mineralölsteuer berücksichtigt werden. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie, die in der Fachzeitschrift Economica veröffentlicht wurde.
Die Studie eröffnet neue verkehrswirtschaftliche Perspektiven mit Blick auf das Gesundheitssystem.
(Quelle: Shutterstock / SewCreamStudio)
Laut der Studie würden die optimalen Mineralölsteuersätze in den USA um 44 Prozent und im Vereinigten Königreich um 38 Prozent steigen, wenn die Kosten für das Gesundheitssystem berücksichtigt werden, die durch zu wenig Bewegung entstehen. Die Einnahmen könnten zu Förderung klimafreundlicher Verkehrsmittel oder zur Entlastung betroffener Haushalte verwendet werden, um den Verkehrssektor nachhaltiger zu gestalten.
„Die erheblichen gesundheitlichen Vorteile davon, zu Fuß zu gehen und Rad zu fahren legen nahe, dass die Wirtschaftlichkeit von Verkehrspolitik neu bewertet werden muss", erklärt Linus Mattauch vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Mitautor der Studie. „Wir liefern ein neuartiges Argument für die Abwägung zwischen den Vorteilen der Autonutzung und ihren Kosten für die Gesellschaft. Mit unserem ökonomischen Modell können wir speziell die Kraftstoffpreise quantifizieren, aber unser Ansatz gilt auch für andere Politikmaßnahmen für nachhaltigen Verkehr, wie z.B. den Umbau von Städten.“
Neue verkehrsökonomische Betrachtung
Zum ersten Mal waren die Forschenden in der Lage, die Kosten für die öffentliche Gesundheit in die wirtschaftliche Bewertung von Verkehrspolitik einzubeziehen. „Während es für viele offensichtlich ist, dass Radfahren und zu Fuß gehen gut für die Gesundheit ist, waren wir überrascht, dass diese Verbindung in der Verkehrsökonomik bisher nicht hergestellt wurde. Die Wechselwirkungen zwischen Gesundheits- und Verkehrspolitik sind größer, als wir erwartet haben“, erklärt Inge van den Bijgaart von der Universität Utrecht, die ebenfalls Autorin der Studie ist.
Gesundheitssystem kann profitieren
Mineralölsteuern sind für die individuelle Entscheidung, zu Fuß zu gehen oder mit dem Fahrrad zu fahren, nur von geringer Bedeutung, so die Autoren der Studie. Die Vorteile angepasster Mineralölsteuern könnten jedoch alle gesellschaftlichen Kosten der Autonutzung, einschließlich Umweltverschmutzung und Verkehrsstaus, berücksichtigen. Die Einnahmen könnten entweder für klimafreundliche Verkehrsinfrastruktur oder zur Entlastung von Haushalten verwendet werden, die von der Steuer besonders betroffen sind.
Sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien und in den USA ist körperliche Inaktivität ein wesentlicher Risikofaktor für sechs der zehn häufigsten Todesursachen weltweit, da eine sitzende Lebensweise weit verbreitet ist. Dabei können schon 2,5 Stunden Gehen pro Woche das Risiko von Diabetes, Herzkrankheiten, Demenz und Depressionen erheblich verringern. Gute Fußwege, Radwegenetze oder sogar autofreie Stadtzentren sowie Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr könnten dazu beitragen, aktive Mobilität zu fördern und die tägliche Bewegung zu erhöhen.
„Das Gesundheitssystem leidet unter den hohen Kosten der Krankheiten, die durch zu Fuß gehen und Radfahren verringert werden können. Wenn nichts unternommen wird, um die Fitness der Bevölkerung zu verbessern, müssen die Gesellschaften die Kosten, die durch Bewegungsmangel entstehen, durch höhere Krankenversicherungsprämien oder höhere Steuern zur Finanzierung des Gesundheitssystems tragen“, erklärt Inge van den Bijgaart.
Wasilis von Rauch, Geschäftsführer von Zukunft Fahrrad, zur Studie: „Investitionen in gute Fahrradinfrastruktur und die Förderung des Radverkehrs etwa durch steuerliche Anreize sind kluge wirtschaftliche Entscheidungen, weil sie gleichzeitig Investitionen in unsere Gesundheit sind. Eine großartige Nachricht für die Politik: Durch Bewegungsmangel verursachte Volkskrankheiten lassen sich mit denselben Mitteln kurieren wie verstopfte Innenstädte, Lärm- und Feinstaubbelastung. Gute Rahmenbedingungen zu schaffen, um mehr Menschen die Freude an der Bewegung im Alltag zu ermöglichen, ist somit eine Win-Win-Lösung für unsere Gesundheit und für eine moderne Verkehrspolitik.“
Die vollständige Studie in englischer Sprache gibt es hier.