Koalitionsvertrag 2025
10.04.2025, 10:54 Uhr
Zukunft Fahrrad fordert mehr Verbindlichkeit für Radverkehrspolitik
Der Wirtschaftsverband Zukunft Fahrrad bewertet den Koalitionsvertrag 2025 als wichtigen Schritt zur wirtschaftlichen Stabilität, kritisiert jedoch die zu geringe Berücksichtigung der Fahrradwirtschaft und fordert konkrete Maßnahmen für den Radverkehr.
Mit Blick auf den neuen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD begrüßt der Wirtschaftsverband Zukunft Fahrrad die schnelle Einigung der Verhandlungspartner. In Zeiten multipler Krisen sei eine zügige Regierungsbildung notwendig, um politische Handlungsfähigkeit sicherzustellen. Besonders positiv sieht der Verband, dass wirtschaftliches Wachstum und die Stärkung des Mittelstands zentrale Prioritäten der neuen Koalition sind. Auch das angekündigte Sondervermögen für Infrastruktur wird als bedeutender Hebel für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland gewertet – nicht zuletzt mit Blick auf den Verkehrsbereich.
„Es ist gut, dass die Koalitionäre CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag neues Wirtschaftswachstum zur Priorität erklärt haben und dem Mittelstand den Rücken stärken wollen. Das Sondervermögen Infrastruktur ist ein richtiger und wichtiger Schritt, um die Leistungsfähigkeit Deutschlands zu sichern – auch im Verkehr“, so Wasilis von Rauch, Geschäftsführer von Zukunft Fahrrad.
Zugleich warnt er davor, die Potenziale des Radverkehrs zu unterschätzen. Eine nachhaltige, sichere und leistungsfähige Mobilität sei ohne gezielte Investitionen in Fahrradinfrastruktur nicht zu erreichen – zumal 70 Prozent der Alltagswege in Fahrraddistanz lägen. Von Rauch betont, dass die Fahrradwirtschaft bereit sei, gemeinsam mit der Bundesregierung die angestoßenen Maßnahmen umzusetzen, sieht aber auch „insgesamt zu viele offen gebliebene Punkte“. Dazu gehörten unter anderem verbindliche Ziele für den Radverkehr sowie die gesetzliche Verankerung des Dienstradleasings.
Im folgenden die Einschätzung von Fahrrad Zukunft zum Koalitionsvertrag im Detail:
Verkehr
- Die enorme Investitionsoffensive im Sondervermögen Infrastruktur in den nächsten zehn Jahren ist wichtig. Die konkrete Mittelverwendung ist noch nicht ausdefiniert. Für die Fahrradwirtschaft ist dabei selbstverständlich, dass Fahrradinfrastruktur Teil der Investitionen sein muss. Zu lange ist von Bund, Ländern und Kommunen zu wenig in Erhalt und Ausbau der Radinfrastruktur investiert worden. Der Investitionsstau ist enorm, könnte aber durch Berücksichtigung im Sondervermögen für Infrastruktur und im Klima- und Transformationsfonds (KTF) gelöst werden. Auch die Länder und Kommunen müssen die neuen Spielräume für Investitionen in Fahrradinfrastruktur nutzen.
- Wenn die Bundesregierung Planungs- und Genehmigungsverfahren wie angekündigt grundsätzlich überarbeitet und beschleunigt, kann das ein wichtiger Schritt zu einer leistungsfähigen Infrastruktur sein.
- Dass sich die neue Bundesregierung im Straßenverkehr am Zielbild der Vision Zero orientieren will, ist zu wenig. Es braucht ein klares Bekenntnis, die Zahl der Verkehrstoten durch konkrete Maßnahmen zu senken und die Straßen für alle Verkehrsteilnehmenden sicherer zu machen.
- Die Potenziale des Radverkehrs und die Notwendigkeit konkreter Maßnahmen sind in den Koalitionsverhandlungen nicht erkannt worden. Ein einzelner Satz zu aktiver Mobilität, dass Rad- und Fußverkehr als Bestandteil nachhaltiger Mobilität gestärkt und gefördert werden sollen, ist zu knapp und ungenau. Er wird der Bedeutung des Fahrrads für zeitgemäße Mobilität nicht gerecht. Die Bundesregierung darf hier nicht hinter den Nationalen Radverkehrsplan 3.0 zurückfallen, der noch von der letzten schwarz-roten Koalition beschlossen wurde.
- Intermodaler Verkehr kommt im Koalitionsvertrag nicht vor, dabei ist die Verknüpfung verschiedener Verkehrsträger ein entscheidender Baustein zukunftsfähiger und einfach zugänglicher Mobilität. Dazu gehört insbesondere der Ausbau von Fahrradparken an Bahnhöfen und Haltestellten.
- Der Verkehr ist nicht auf dem Pfad für Klimaschutz. Die Ankündigung, Mauteinnahmen nur noch für den Verkehrsträger Straße einzusetzen und am bestehenden Bundesverkehrswegeplan und den Aufstellungsverfahren festzuhalten, wird den klimapolitischen Erfordernissen im Verkehrssektor nicht gerecht. Die Chancen des Radverkehrs für Klimaeinsparungen werden nicht genutzt.
- Der europäische Klimasozialfonds soll soziale Härten durch die Ausweitung des Emissionshandels auf den Straßenverkehr und Gebäude ab 2027 im Rahmen des ETS II vermeiden. Die Bundesregierung sollte zehn Prozent der Mittel des deutschen Klimasozialfonds in erschwingliche und attraktive Fahrrad-Mobilität für benachteiligte Gruppen investieren und diese so wirksam in ihrer Alltagsmobilität unterstützen. Im Koalitionsvertrag wird für den Klimasozialplan nur ein konkreter Mitteleinsatz für den Erwerb von E-Pkws angekündigt. Hier müssen sie nacharbeiten.
Finanzen
- Dienstliche Mobilität ist überproportional für die CO2-Emissionen auf deutschen Straßen verantwortlich. Funktionierende Lösungen wie das Dienstrad-Leasing müssen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Leider werden diese einfachen Lösungen für mehr Wahlfreiheit für die individuelle Mobilität noch nicht aufgegriffen. Zukunft Fahrrad wird sich engagiert dafür einsetzen, Dienstrad-Leasing noch in dieser Legislaturperiode im Einkommensteuergesetz zu verankern. Es braucht außerdem eine Entbürokratisierung durch Pauschalierungsregeln für die steuerliche Behandlung dienstlich und privat genutzter ÖPNV-Zeitkarten, Sharing-Mitgliedschaften und Mobilitätsbudgets, wie es sie heute schon für den Dienstwagen gibt.
Wirtschaft
- Die Bundesregierung kündigt im Kapitel zur Automobilindustrie Kaufanreize für Elektromobilität an. Es ist ein Ungleichgewicht solche Förderungen nicht auch für weitere E-Mobilität wie Pedelecs zu öffnen. Die Fahrradwirtschaft fehlt insgesamt bei den verschiedenen Sektoren des Industriestandorts Deutschland. Das ist eine vertane Chance und wird der Bedeutung unserer Branche für die zukunftsfähige Mobilitätswirtschaft nicht gerecht.
- Der angekündigte Abbau von überbordender Bürokratie wird – wenn konsequent umgesetzt – den Unternehmen der Fahrradbranche sehr helfen. Wir begrüßen, dass unter anderem Dokumentationspflichten reduziert und vereinfacht werden, alle Verwaltungsvorgänge digital gebündelt und mit dem "Once-only"-Grundsatz Daten gegenüber dem Staat nur einmal angegeben werden müssen.
- Die Koalition plant, die regionalen Transformations-Netzwerke und -Hubs der Automobilindustrie fortzuführen. Der Umbau der Mobilitätswirtschaft wird aber nur sektorübergreifend gelingen, dafür gehört die Fahrradbranche mit an den Tisch.
- Die angekündigte Beschleunigung von Arbeitsgenehmigungen und Anerkennungen von Berufsabschlüssen für qualifizierte Fachkräfte sowie die Verstetigung der Ausbildungsförderung sind wichtige Maßnahmen, um dem auch in der Fahrradbranche vorherrschenden Arbeitskräftemangel zu begegnen. Es ist gut, dass die kommende Bundesregierung modulare, abschlussorientierte Weiterbildungen stärken- und Personen ohne Berufsabschluss durch abschlussorientierte Teilqualifikationen nachhaltig in den Arbeitsmarkt integrieren will.