Verzögerungsleistung soll deutlich steigen 31.07.2024, 10:32 Uhr

Bundesverkehrsministerium plant Gesetzesverschärfung für Fahrradbremsen

Auf Deutschlands Straßen sind zu wenig Autos unterwegs. Anders kann man sich die geplante Verschärfung der Vorschriften für Fahrradbremsen nicht erklären. Ernst Brust ergreift das Wort für die Fahrradbranche.
Ernst Brust
(Quelle: Velotech.de)
Das Bundesverkehrsministerium will die Vorschriften für Fahrradbremsen deutlich erhöhen, die Bremskraft soll stärker werden. Das berichtet der Fahrradexperte Ernst Brust, seit 30 Jahren als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger zum Thema Fahrradbremsen aktiv, und mit dementsprechend guten Kontakten ausgestattet. Als mögliche Folge nennt Brust den verpflichtenden Einbau von Antiblockiersystemen und dementsprechend teurere (und schwerere) Fahrräder.
Gegenüber SAZbike erklärt Ernst Brust: „Die geplante Erhöhung der erforderlichen Bremsverzögerung am Vorderrad von Fahrrädern in der Straßenverkehrszulassungsordnung von derzeit 3,4 Meter pro Quadratsekunde auf 5 Meter pro Quadratsekunde halte ich für nicht sinnvoll. Aus meiner langjährigen Erfahrung und zahlreichen Tests weiß ich, dass die Überschlagsgrenze bei Fahrrädern, abhängig von deren Schwerpunkt, typischerweise bei Verzögerungen von über 6 Metern pro Quadratsekunde liegt.“ 
Als Hauptargumente gegen die Erhöhung auf 5 Meter pro Quadratsekunde nennt er:
  1. Überschlagsgefahr: Eine Bremsverzögerung von 5 m/s² bringt viele Fahrräder bereits gefährlich nah an die Überschlagsgrenze. Besonders bei Fahrrädern mit einem höheren Schwerpunkt besteht ein erhebliches Risiko für den Fahrer, bei einer so hohen Verzögerung über den Lenker abgeworfen zu werden.
  2. Vergleich mit anderen Fahrzeugen: Als Referenz für die Verzögerungsleistung von 5 Metern pro Quadratsekunde wurden Motorräder und Autos herangezogen. Die haben aber im Vergleich zu Fahrrädern einen deutlich niedrigeren Schwerpunkt. Dadurch sind sie stabiler und weniger anfällig für einen Überschlag bei starken Bremsungen. Ein direkter Vergleich der Bremsverzögerung von Fahrrädern mit diesen Fahrzeugen ist daher nicht angemessen.
Brusts alternative Vorschläge: 
  • Erhöhung auf 4 Meter pro Quadratsekunde bei Trockenheit: „Eine moderate Erhöhung der erforderlichen Bremsverzögerung auf 4 Meter pro Quadratsekunde unter trockenen Bedingungen wäre eine sicherere und vernünftigere Anpassung. Diese Erhöhung verbessert die Bremsleistung, ohne das Risiko eines Überschlags übermäßig zu erhöhen“, sagt Brust.
  • Einführung von ABS-Systemen: Sollte dennoch eine höhere Bremsverzögerung gefordert werden, müsse gleichzeitig die Einführung von Anti-Blockier-Systemen (ABS) für Fahrräder vorgeschrieben werden, erklärt Brust. ABS kann verhindern, dass das Vorderrad bei starken Bremsungen blockiert, und somit das Überschlagsrisiko reduzieren. Er weist auch auf die Folgen für die Fahrradpreise hin.
Ernst Brust fasst zusammen: „Die geplanten Änderungen der StVZO sollten daher mit Bedacht vorgenommen werden, um die Sicherheit der Fahrradfahrer zu gewährleisten und das Risiko von Unfällen durch Überschläge zu minimieren.“

Wer braucht stärkere Bremsen?

Abschließend bleibt zu bemerken: Als intendierte Folge der geplanten Verschärfung kann man positiv nur unterstellen, dass Radverkehr sicherer werden soll. Schwache Fahrradbremsen jedoch wurden bisher nicht in nennenswertem Umfang als Ursache für Fahrradunfälle ausgemacht, vielmehr spielten gefährliche Infrastruktur, also schlechte Radwege, oder mangelnde Fahrradbeherrschung (zum Beispiel zu starke Bremsvorgänge) bei Alleinunfällen ein Rolle. Lediglich alte Fahrräder mit abgenutzten Bremsbelägen und verschlissenen Zügen könnten mit schweren Anhängern bei entsprechend optimistischer Fahrweise an ihre Grenzen kommen. Die Bremsleistung allerdings kann jedes gute Fahrradgeschäft für 80 Euro hinreichend verbessern.



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