EU-Entscheid zu Mehrwertsteuer
09.12.2021, 12:26 Uhr
Fahrradbranche begrüßt Steuersenkung auf Räder und Reparaturen
Die Mehrwertsteuersenkung auf Fahrräder ist ein historischer Lobbyerfolg der Fahrradbranche. Hier erklären die Fahrradverbände, wie es dazu kam, was jetzt zu tun ist, und warum keine Eile geboten ist.
Die EU erlaubt niedrigere Mehrwertsteuern auf Fahrräder, E-Bikes und Reparaturen.
(Quelle: Shutterstock / Jo Panuwat D)
Am 7. Dezember erzielte der Rat der EU eine Einigung über aktualisierte Regeln für die Mehrwertsteuersätze wie die SAZbike berichtete. Nach den neuen Vorschriften können die Mitgliedstaaten ermäßigte Mehrwertsteuersätze auf die Lieferung, Vermietung und Reparatur von Fahrrädern, einschließlich Elektrofahrrädern, anwenden. Die Fahrradverbände ZIV (Zweirad-Industrie-Verband), dessen europäischer Dachverband Conebi, sowie der Radfahrerverband European Cyclists' Federation (ECF) und der Dachverband des Bundesverbands Zukunft Fahrrad, nämlich der Verband Cycling Industries Europe (CIE), begrüßen diesen Schritt.
ZIV hält Umsetzung für nicht eilig
Der ZIV erklärt exklusiv gegenüber SAZbike, man begrüße die Mehrwertsteuerreform der EU, die es den Mitgliedsländern nun ermöglicht, reduzierte Mehrwertsteuersätze für den Verkauf, die Vermietung und die Reparatur von Fahrrädern und E-Bikes zu beschließen. „Es wäre wünschenswert, dass die neue Bundesregierung dies zur Anwendung bringt. Vor dem Hintergrund, dass es der deutschen Fahrradindustrie in den letzten Jahren wirtschaftlich sehr gut ergangen ist, wäre eine forcierte Forderung einer Mehrwertsteuersenkung aus unserer Sicht allerdings nicht angebracht. Es wäre aber ein deutliches Zeichen von Seiten der Politik, dass dem Fahrrad, dem E-Bike und dem Radverkehr insgesamt eine zentrale Rolle bei der Verkehrswende zukommt“, so der ZIV weiter.
Erst wurden E-Bikes vergessen, jetzt sind sie drin
Conebi und der ECF betonen auch den Lobbyerfolg der Verbände: Die Europäische Kommission hatte bereits Anfang 2018 einen Vorschlag zur Reform der Mehrwertsteuersätze veröffentlicht. Nach diesem Vorschlag hätten konventionelle Fahrräder und Elektroautos von einer reduzierten oder gar keiner Mehrwertsteuer profitieren können, Elektrofahrräder jedoch nicht. Sie wurden neben den mit Kraftstoff, Öl und Gas betriebenen Fahrzeugen als Gegenstände eingestuft, auf deren Lieferung der Mehrwertsteuer-Normalsatz von mindestens 15 Prozent zwingend anzuwenden gewesen wäre.
Nach der Veröffentlichung des Vorschlags setzten sich ECF und Conebi nach eigener Aussage gemeinsam dafür ein, dass auch Elektrofahrräder in die Liste der Waren aufgenommen werden, auf die die EU-Mitgliedstaaten ermäßigte Sätze anwenden können. Dazu gehörten ein gemeinsames Positionspapier und zahlreiche Treffen mit der Kommission und den Mitgliedstaaten, um das Bewusstsein für die Vorteile von Elektrofahrrädern für die Gesellschaft, die Umwelt und die Fahrradwirtschaft als Ganzes zu schärfen. In der Zwischenzeit haben einzelne Mitgliedstaaten wie Belgien Gesetze verabschiedet, die ermäßigte Mehrwertsteuersätze für alle Arten von Fahrrädern vorsehen, sobald der EU-Mehrwertsteuerrahmen dies zulässt, und die Forderungen des Fahrradsektors auf europäischer Ebene unterstützt.
Auch für Reparaturen kann Mehrwertsteuer sinken
All diese Bemühungen haben nun Früchte getragen: In der allgemeinen Ausrichtung des Rates der EU zur Überarbeitung der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie haben sich die Regierungen der Mitgliedstaaten darauf geeinigt, die Lieferung, Vermietung und Reparatur von Fahrrädern in die Liste der Gegenstände aufzunehmen, auf die ermäßigte Mehrwertsteuersätze angewandt werden können, und zwar ausdrücklich auch auf Elektrofahrräder. Nach dem besonderen Gesetzgebungsverfahren, das in diesem Fall anzuwenden ist, wird der Rat die Richtlinie förmlich annehmen, sobald das Parlament seine nicht bindende Stellungnahme zu dem Vorschlag abgegeben hat. Dann können die Mitgliedstaaten Mehrwertsteuerermäßigungen für Fahrräder und E-Bikes einführen.
Jill Warren, Geschäftsführerin der ECF, erklärte: „Wir begrüßen das Ergebnis der Verhandlungen im Rat über die Revision der EU-Mehrwertsteuersätze sehr. Die Aufnahme der Lieferung, Vermietung und Reparatur von herkömmlichen Fahrrädern und Elektrofahrrädern in die Liste der Waren, auf die ermäßigte Mehrwertsteuersätze angewandt werden können, erweitert das Instrumentarium der Mitgliedstaaten zur Förderung des Radverkehrs und kann dazu beitragen, dass das Radfahren für die Bürger noch erschwinglicher wird. Wir rufen die Mitgliedstaaten nun auf, von dieser neuen Möglichkeit Gebrauch zu machen und in ganz Europa ermäßigte Sätze anzuwenden.“
Conebis Geschäftsführer Manuel Marsilio fügte hinzu: „Es war ein langer Weg, seit wir 2018 eine so wichtige Lobbykampagne mit der ECF gestartet haben, aber wir sehen endlich ein greifbares Ergebnis. Diese gesetzgeberische Entscheidung im Rahmen der Reform der Mehrwertsteuersätze eröffnet den Regierungen in Europa eine einzigartige Möglichkeit, den Radsport ganz praktisch zu unterstützen. Jetzt freuen wir uns auf konkrete Mehrwertsteuersenkungen in allen EU-Ländern und werden die unschätzbare Arbeit unserer nationalen Mitgliedsverbände unterstützen.“
Kevin Mayne, CEO des CIE, sagt: „Dieses Ergebnis zeigt einmal mehr, wie wichtig eine langfristige, gut ausgestattete und professionelle Lobbyarbeit für den Radverkehrssektor auf nationaler und EU-Ebene ist. Die Arbeit kann langsam und sehr technisch sein, aber die Auswirkungen sind potenziell enorm.“