Radverkehrsförderung bis 2030
21.04.2021, 16:06 Uhr
ZIV und ADFC loben neuen Nationalen Radverkehrsplan
Der Fahrradclub ADFC und der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) würdigen den heute im Kabinett vorgelegten Nationalen Radverkehrsplan (NRVP 3.0) als gelungenes Leitbild des Bundes für die Radverkehrsförderung der nächsten zehn Jahre.
Der ZIV lobt den heute vorgestellten NRVP als durchaus ambitioniert und gut strukturiert, Ziele und die Leitplanken der Radverkehrsförderung in Deutschland für die kommenden zehn Jahre seien ehrgeizig und richtig gesetzt. Besonders begrüßenswert ist aus Sicht des ZIV, dass der Fahrradstandort Deutschland gestärkt werden soll und dass die Bedeutung der Fahrradwirtschaft hervorgehoben wird. Erfreulicherweise wird das Synergiepotenzial zwischen Radverkehrsförderung und innovativen Produkten sowie einer starken Fahrradwirtschaft im NRVP 3.0 anerkannt – ein Thema, das der ZIV schon seit vielen Jahren betont. Zudem begrüßt der ZIV, dass der Bund das Radwegebenutzungsrecht für S-Pedelecs außerorts zumindest prüfen will.
Burkhard Stork, Geschäftsführer des ZIV, lobt: „Alle bekennen sich heute zur Radverkehrsförderung – aber nur wenige machen tatsächlich etwas. Der NRVP 3.0 zeigt, wie Radverkehrsförderung richtig geht und ist hoffentlich der notwendige Aufbruch ins Fahrradland Deutschland. Es ist der beste NRVP, den eine Bundesregierung bisher vorgelegt hat. Wir werden als ZIV darauf drängen, dass die enthaltenen Vorhaben auch umgesetzt werden.“
Die ADFC-Vizebundesvorsitzende Rebecca Peters sagt: „Vom Fahrradland Deutschland sind wir Stand heute noch Lichtjahre entfernt. Die Menschen fühlen sich beim Radfahren nicht sicher, das hat kürzlich wieder der ADFC-Fahrradklima-Test gezeigt. Der Ausbau der Radwege und Radschnellwege kommt kaum voran. Und der Radverkehrsanteil, der Indikator für eine gelungene Fahrradförderung, ist in zehn Jahren nur minimal gestiegen. Das liegt aber nicht etwa an der Faulheit der Menschen, sondern daran, dass die Politik den Radverkehr viel zu lange als Nischenthema behandelt hat. Während unter den Ministern Ramsauer und Dobrindt überhaupt nichts ging für den Radverkehr, hat Minister Scheuer immerhin einige Fortschritte erzielen können und sich klar pro Radverkehr positioniert. Die nächste Bundesverkehrsministerin oder der nächste Bundesverkehrsminister muss aber noch wesentlich mutiger und schneller sein, damit die Vision des Fahrradland Deutschland bis 2030 Wirklichkeit wird.“
Eine kleine Revolution
Der ADFC bewertet es als kleine Revolution, dass sich das Bundesverkehrsministerium (BMVI) mit dem NRVP 3.0 klar zu dem Ziel bekennt, den Verkehr vom Auto auf den Umweltverbund und insbesondere auf das Fahrrad zu verlagern. Auch lobt der Fahrradclub ausdrücklich den Ansatz der Flächenumverteilung. Peters: „Es ist völlig richtig - in den engen Städten kann ausreichend Platz für sicheren Radverkehr nur durch Umgestaltung von Parkplätzen und Kfz-Spuren geschaffen werden. Gut, dass das BMVI hier Klartext redet und der Allen-Platz-fürs-Auto-Denke abschwört.“
ADFC lobt Schwerpunkte
Aus Sicht des ADFC setzt das Bundesverkehrsministerium mit dem NRVP 3.0 die richtigen Schwerpunkte: Die Schaffung lückenloser Radwegenetze, geschützte Radwege an stark befahrenen Straßen, Radschnellwege für Pendler, die sichere Gestaltung von Kreuzungen, moderne Fahrrad-Abstellanlagen und die Verknüpfung mit dem ÖPNV. Ebenfalls für korrekt berücksichtigt hält der ADFC die Modernisierung des Verkehrsrechts und der Regelwerke, eine Ausprobier-Kultur für moderne Mobilitätskonzepte und einen Finanzierungsrahmen von mindestens 30 Euro pro Kopf pro Jahr für gute Fahrradinfrastruktur. Peters: „Das Volumen entspricht dem, was der ADFC seit Langem fordert.“
Kritisch merkt der ADFC allerdings an, dass die Ziele des letzten Plans (NRVP 2020) nicht erreicht wurden, weil den Bekenntnissen zu mehr und besserem Radverkehr erst viel zu spät Taten folgten. Von der nächsten Bundesregierung fordert der ADFC, einen „Aktionsplan Fahrradland“ gleich zu Beginn der Legislatur festzulegen und umzusetzen.
Offen: Aktionsplan, Rechtsreform, Ausbauoffensive, Finanzierung
Die nächste Bundesregierung muss nach Auffassung des ADFC mit einem konkreten „Aktionsplan Fahrradland“ mit messbaren Meilensteinen, konkreten Verkehrsverlagerungszielen und einer langfristigen Finanzierung gleich zu Beginn der neuen Legislatur nachlegen. Bisher ist die Förderung des Bundes nur bis 2023 gesichert – viel zu kurz für große Infrastrukturprojekte. Angesichts des großen Nachholbedarfs bei den kommunalen Radwegen sowie den Radschnellwegen in Ballungsräumen wird die bisher vorgesehene Förderung auch nicht reichen. Hier brauchen Kommunen und Länder deutlich mehr und langanhaltenderen Rückenwind vom Bund. Damit es zügig vorangehen kann, müssen die großen Lücken beim Fachpersonal für die Planung von Radwegenetzen durch eine Aus- und Fortbildungsoffensive geschlossen werden, so der ADFC in seiner Stellungnahme. Wichtigste politische Aufgabe ist laut ADFC aber die Reform des übergeordneten Straßenverkehrsgesetzes, das in seiner jetzigen Form die Umverteilung des Straßenraums zugunsten des Radverkehrs verhindert und den besonderen Schutzbedarf der Radfahrenden nicht genug berücksichtigt. Einen Gesetzesvorschlag hierfür hatte der Fahrradclub bereits 2019 vorgelegt.
Radfahren in Deutschland – viel ungenutztes Potenzial
Fast alle Menschen in Deutschland besitzen ein Fahrrad: 2020 gab es rund 79 Millionen Fahrräder, davon über sieben Millionen mit elektrischer Unterstützung. 28 Millionen Wege und 112 Millionen Kilometer wurden 2017 mit dem Rad zurückgelegt. Eine Fahrt mit einem klassischen Fahrrad war im Durchschnitt 3,7 Kilometer lang, mit dem Pedelec 6,1 Kilometer. Insgesamt nutzten die Menschen das Fahrrad für elf Prozent ihrer Wege. Mit dem letzten Nationalen Radverkehrsplan (NRVP 2020) hatte die Bundesregierung etwa 15 Prozent Radverkehrsanteil angestrebt – dieses Ziel wurde deutlich verfehlt. Im NRVP 3.0 gibt sie überhaupt keinen angestrebten Radverkehrsanteil an. Zum Vergleich: In den Niederlanden ist der Radverkehrsanteil mit 27 Prozent fast dreimal so hoch wie in Deutschland. Die Niederlande gelten als das Land mit der weltweit besten Radinfrastruktur.