Guter Anfang, aber zu zaghaft 17.06.2019, 12:09 Uhr

ADFC: BMVI-Novelle zur StVO reicht nicht aus

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) bewertet den Entwurf von Bundesverkehrsminister Scheuer für eine fahrradfreundliche Novelle der Straßenverkehrs-Ordnung insgesamt positiv, fordert aber Nachbesserungen.
Beim NRVK überreichten der ADFC-Vorsitzende Ulrich Syberg (Mitte) und der ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork (rechts) ihre Forderungen an Andreas Scheuer.
(Quelle: BMVI)
Der ADFC lobt die große Bandbreite an Reformvorschlägen und die Ankündigung, auch das übergeordnete Straßenverkehrsgesetz ab 2020 entsprechend zu reformieren. Die Radverkehrsexperten vermissen allerdings größere Handlungsmöglichkeiten für Kommunen, dem Radverkehr mehr Platz im Straßenraum einzuräumen.     
ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork sagt: „Die Vorschläge des Ministers für eine fahrradfreundliche StVO sind ein guter Anfang. Auch, dass er an den dicken Brocken des Straßenverkehrsgesetzes ran will, ist gut. Denn noch fehlt der große Wurf, der es Städten ermöglicht, den Platz zugunsten des Fahrrads neu aufzuteilen. Es gibt immer noch zu viele Hürden für die Einrichtung von geschützten Radwegen und Fahrradstraßen.“
Die ADFC-Bewertung der Vorschläge im Einzelnen: Das generelle Halteverbot auf Schutzstreifen und die damit verbundene Erhöhung der Bußgelder sei ein überfälliger Schritt. Höhere Bußgelder müssten aber auch für Falschparker auf Radfahrstreifen und Radwegen gelten, nicht nur auf Schutzstreifen. Auch der Mindestüberholabstand für Kraftfahrzeuge sei überfällig. Das gemeinsame Fahren von Auto- und Radverkehr auf der Fahrbahn sollte allerdings die Ausnahme sein. Ziel müssten durchgängige Netze aus vom Autoverkehr getrennten Radwegen sein. Der grüne Pfeil für Radfahrer sei ein überfälliger Schritt. Freies Rechtsabbiegen sei in den Niederlanden, Dänemark und Frankreich bereits erfolgreich erprobt. Die Einrichtung von Fahrradzonen sei gut, funktioniere aber laut ADFC nur, wenn gleichzeitig die Einrichtung von Fahrradstraßen erleichtert werde. Das sei bisher nicht vorgesehen. Auch das Erleichtern des Nebeneinanderfahrens sei ein guter Schritt. Wichtig sei, dass motorisierte Verkehrsteilnehmer diese Regeln auch kennen. Bisher würden Radfahrer auf der Fahrbahn oft angehupt und abgedrängt.
Das Parkverbot an Kreuzungen bewertet der ADFC als zu zaghaft: Kreuzungen sollten mit einem Abstand von 10 Metern (statt 5 Metern) von parkenden Fahrzeugen frei gehalten werden, um freie Sicht zwischen Rad- und Autoverkehr zu ermöglichen, so wie in den Niederlanden. Auch die Schrittgeschwindigkeit von bis zu 11 km/h für rechtsabbiegende Lastwagen sei zu zaghaft. Erst echte Schrittgeschwindigkeit - zwischen 4 und 7 km/h – bringe laut ADFC die nötige Sicherheit.
Das Piktogramm für Lastenräder sei gut, ebenso wie die Verkehrszeichen für Radschnellwege. Diese müssten durchgängig gut ausgeschildert sein, damit sie als attraktive Schnellverbindung funktionieren. Das Überholverbot an Engstellen sei richtig, motorisierte Verkehrsteilnehmer müssten dafür sensibilisiert werden. Die Innovationsklausel sei sehr gut, diese ermögliche es Kommunen beispielsweise, flächendeckend Tempo 30 oder ein Einfahrverbot für schwere LKW in Pilotprojekten zu erproben Die vereinfachte Öffnung von Einbahnstraßen sei ein kleiner, aber richtiger Schritt, der aber erst 2020 mit der neuen Verwaltungsvorschrift zur StVO kommen soll.
Es fehlt nach Auffassung des ADFC nach wie vor die Abschaffung des Begründungszwangs für manche Typen von Radverkehrsanlagen, Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts, Erleichterungen für die Einrichtung von Fahrradstraßen, die Verpflichtung zur Einrichtung von Radverkehrsanlagen an allen Straßen über Tempo 30 sowie Vorrang für die Einrichtung von Radverkehrsanlagen vor Kfz-Parkplätzen. Hierfür hatte der ADFC Anfang Mai einen eigenen Vorschlag für ein so genanntes „Gute-Straßen-für-alle-Gesetz“ vorgelegt und Minister Scheuer beim Nationalen Radverkehrskongress in Dresden überreicht.
Stork fasst zusammen: „Minister Scheuer muss an einigen Stellen nochmal nachlegen – und schnell an das übergeordnete Straßenverkehrsgesetz ran. Dort muss er festschreiben, dass nicht mehr die Flüssigkeit des Autoverkehrs alleinige Priorität hat, sondern die Gleichstellung aller Verkehrsarten und das Ziel „Vision Zero“, also null Tote im Straßenverkehr. Es ist nicht mehr zeitgemäß, Klima, Umwelt und Gesundheit dem Primat des motorisierten Verkehrs unterzuordnen. Städte müssen die Möglichkeit haben, das freie Parken einzuschränken, um Platz für den Radverkehr zu gewinnen, das Verkehrstempo zu reduzieren und Beschränkungen für den Autoverkehr einzurichten, wo es zur Förderung von Auto-Alternativen sinnvoll ist.“



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