Verkehrswende im Kriechgang
28.06.2021, 13:01 Uhr
Deutsche Bahn baut Strommasten auf geplanten RS1-Abschnitt
Der Ausbau des Radschnellweg 1 im Ruhrgebiet stockt: Auf einem dafür eingeplanten Abschnitt hat die Deutsche Bahn Strommasten gebaut.
Hier hat die Bahn Strommasten auf den geplanten Streckenabschnitt des RS1 gebaut.
(Quelle: ADFC Essen / Mirko Senke)
Der Radschnellweg 1 (RS1) im Ruhrgebiet kommt aus den Schlagzeilen nicht heraus. In Essen-Kray sollte entlang der Bahnlinie der Radschnellweg RS1 fortgesetzt werden. Doch nachdem die Bahn dort auf einer Strecke von rund zwei Kilometern neue Masten für ihre Oberleitung aufgestellt hat, fragen sich Radpendler im Ruhrgebiet, wie es dort nun überhaupt mit dem RS1 weitergeht. Offenbar waren die Absprachen zwischen dem für den Radschnellwegbau verantwortlichen Landesbetrieb Straßen.NRW und der Bahn unzureichend, wie sich jetzt herausstellt.
„Dem Land NRW wird nichts anderes übrigbleiben, als den Streckenverlauf, der bereits seit Jahren auf den Plänen steht, zu überarbeiten“, sagt Ludger Vortmann, Pressesprecher des ADFC NRW. Das werde sicher erneute Verzögerungen geben, denn Platz ist im Ruhrgebiet Mangelware. Es sei auch nicht die erste Panne oder Verzögerung, sagt Vortmann und verweist auf das neben der Universität Duisburg-Essen endende Stück Radschnellweg am Campus Essen. Dort geht es seit Jahren nicht weiter, weil ein Gütergleis eines Industriebetriebs umgelegt werden muss und dazu vertragliche Fragen geklärt werden müssen. Daher endet die gut ausgebaute Strecke direkt in einer trostlosen Brachfläche.
So sieht es an vielen Stellen auf dem RS1 aus, der einmal auf 114 Kilometern das im westlichen Ruhrgebiet gelegene Moers mit dem östlichen Hamm verbinden soll. „Doch von den 111 Kilometern, die bereits 2020 fertiggestellt sein sollten, gibt es gerade erst rund 15 Kilometer. Und selbst davon ist nur ein Teil komplett im finalen Radschnellweg-Ausbaustandard mit Top-Oberfläche, Beleuchtung und den vorgeschriebenen Markierungen“, so ADFC-NRW-Sprecher Vortmann. Der Radschnellweg wirke für viele Radfahrende wie ein „Radschneckenweg“, lästert der ADFC, und viele Radpendler reagierten auf das Thema inzwischen nur noch mit enttäuschtem Kopfschütteln.
„Das ist eine große Enttäuschung für die Radpendler, die sich weiterhin durch verstopfte Städte mit schlechter oder nicht vorhandener Radinfrastruktur quälen müssen und dabei ihre Gesundheit riskieren“, sagte Anna Limbach, Beisitzerin im Landesvorstand des ADFC.
Zwar gab der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) am 11. Juni ein weiteres Teilstück von 2,8 Kilometern Länge zwischen Gelsenkirchen und Bochum frei. Für den ADFC NRW gab es an dem Tag keine Feierstimmung, denn selbst der Minister Wüst betonte in seiner Rede, das unbefriedigende Ausbautempo.
Doch wie er den Bau beschleunigen will, geht selbst aus dem von ihm gerade vorgelegten „Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz NRW“ (FaNaG NRW) nicht hervor. Es ist das erste seiner Art in einem Flächenland und soll das Radfahren revolutionieren. Doch es ist „mutlos und zu unverbindlich“, sagen die beiden ADFC-Landesvorsitzenden Annette Quaedvlieg und Axel Fell, die zusammen den größten Deutschen Landesverband des Fahrradclubs führen. „Mit diesem Entwurf jedenfalls wird es dem Land NRW nicht gelingen, den Radverkehrsanteil von derzeit rund zehn Prozent auf 25 Prozent bis 2025 zu erhöhen.“
Das war das Ziel der Volksinitive „Aufbruch Fahrrad“, die mit 207.000 Unterschriften das erste „Fahrradgesetz“ in einem Flächenland erkämpft hatte.
Und die zuständige Behörde? Scheint das zu akzeptieren. Der Landesbetrieb Straßen.NRW teilt dazu nämlich mit, dass man sich mit der Deutsche Bahn seit Beginn der Planungen zum RS1 regelmäßig austausche. Die Erneuerung von Oberleitungsanlagen in Essen-Kray, die zum sicheren Betrieb des Schienenverkehrs erforderlich waren, seien dem Landesbetrieb bekannt. „Unsere Planer werden die Streckenführung des RS1 entsprechend der aktuellen Begebenheiten vor Ort weiterentwickeln. Die Fertigstellung des RS1 wird davon nicht beeinträchtigt“, so ein Behördenvertreter gegenüber SAZbike.