Zwei Milliarden Pakete pro Jahr
11.03.2024, 12:53 Uhr
Internationaler Online-Handel: HDE sieht Schieflage bei Marktüberwachung
Angesichts der wachsenden Zahl an Paketen aus dem Nicht-EU-Online-Handel warnt der Handelsverband Deutschland (HDE) vor den Folgen unzureichender Einfuhrkontrollen. Die Fahrradbranche sollte die Forderungen unterstützen.
Im Sinne der Produktsicherheit und des fairen Wettbewerbs fordert der Verband eine Neuordnung der Marktüberwachung in Deutschland.
Während 2023 laut Europäischer Kommission zwei Milliarden Pakete mit einem Warenwert unterhalb der Zollfreigrenze von 150 Euro aus Nicht-EU-Staaten in die EU verschickt wurden, meldet die Bundesnetzagentur für das Jahr 2023 die Prüfung von nur rund 5.000 Warensendungen. Von den geprüften Sendungen erhielten 92 Prozent keine Freigabe. Diese Diskrepanz zwischen eingetroffenen und kontrollierten Sendungen verdeutlicht aus Sicht des HDE die Schieflage bei der Marktüberwachung in Deutschland.
Zoll ist von Paketmasse überfordert
„Die Marktüberwachung in Deutschland ist zersplittert. Das erschwert die Durchsetzung europäischer sowie nationaler Regelungen und steht einem zentralen Vorgehen gegen Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern im Weg“, so Stephan Tromp, stellvertretender HDE-Hauptgeschäftsführer. Geregelt werde die öffentlich-rechtliche Durchsetzung der Preisangabenverordnung durch die Länder, die ihre Zuständigkeit wiederum an die kommunalen Behörden übertragen hätten. Gleiches gelte für die Produktsicherheit, deren Überwachung ebenfalls zersplittert organisiert sei. „Der Zoll ist mit der schieren Masse an Paketen überfordert und die dezentrale Organisation der Marktüberwachung führt zu Sicherheitsrisiken für die Verbraucher und bringt eine extreme Wettbewerbsverzerrung zulasten des deutschen Handels mit sich“, betont Tromp. „Die Marktüberwachung ist organisiert wie zu Zeiten von Tante Emma, als es nur den stationären Handel gab und die amtliche Überwachung der Produkte vor Ort ausreichte“, so Tromp weiter.
Bundesweit einheitlicher Ansatz erforderlich
Der HDE fordert daher eine Neuordnung der Marktüberwachung in Deutschland. „In Zeiten des globalen Internethandels stößt das dezentrale Modell der Marktüberwachung an seine Grenzen. Es überfordert die kommunalen Behörden“, so Tromp. Online-Plattformen und Handelsunternehmen von jeder Kommune individuell und unabgestimmt überprüfen zu lassen, sei nicht zielführend. „Es braucht einen bundesweit einheitlichen Ansatz, der auf Grundlage eines geeigneten Rechtsrahmens ein effizientes und wirksames Vorgehen gegen die Einführer aus Drittstaaten im Inland gewährleistet, damit auch die ganzheitliche Überwachung der internationalen Akteure sicherstellt und die Durchführung zentraler Maßnahmen zur Durchsetzung der Verordnungen und Gesetze ermöglicht“, so Tromp. Hier seien Bund und Länder gemeinsam in der Pflicht.
Falschdeklarierung zur Umgehung der Zollfreigrenze
Zudem mahnt der HDE zu einer schnellen Aufhebung der Zollfreigrenze von 150 Euro und zur Digitalisierung der Zollkontrollen in der EU. Nach EU-Angaben ist davon auszugehen, dass bei zwei Dritteln der zwei Milliarden Pakete aus Nicht-EU-Staaten der Warenwert falsch deklariert ist, um unterhalb der Zollfreigrenze von 150 Euro zu bleiben. „Diesem Missbrauch muss Einhalt geboten werden“, so Tromp.
Fahrradbranche: Manche Produkte sind Sicherheitsrisiko
In welchen quantitativen Umfang Fahrradprodukte aus Nicht-EU-Ländern eintreffen, ist unklar. Völlig klar jedoch ist jedem Branchenkenner: Die qualitative Dimension ungeprüfter Importe hat das Zeug zur Katastrophe. Da kommt Ware, die nicht im Straßenverkehr unterwegs sein darf, etwa Blinker und anderes Lichtspielzeug für Fahrräder. Oder gar tragende Teile wie Lenker und Sattelstützen aus Carbon, welche nicht die Sicherheitsstandards erfüllen, die namhafte Hersteller an ihre Ware stellen. Auch manche Akkus werden privat importiert. Es liegt letzten Endes vermutlich sogar im Interesse von Endkunden, die diese Ware bestellen, dass dieser Missstand behoben wird. Viele sind nämlich unbedarft und vertrauen einfach in die Sicherheit der Produkte.