Kritik an europäischer Zollpolitik 03.12.2024, 10:28 Uhr

Leva-EU fordert Marktüberwachung statt Schutzmaßnahmen

Die Light Electric Vehicles Association (Leva-EU) hält die Empfehlung der Europäischen Kommission, Schutzmaßnahmen gegen die Importen von Elektrofahrrädern aus China aufrechtzuerhalten, für fehlgeleitet.
Eine Armada von Fahrrädern in Shanghai.
(Quelle: Shutterstock/Zapp2Photo)
Die Untersuchung der Kommission ergab, dass die Aufhebung der Maßnahmen aller Wahrscheinlichkeit nach zu einem erheblichen Anstieg der gedumpten Einfuhren aus der Volksrepublik China zu schädigenden Preisen führen würde.
Leva-EU, eine Vereinigung europäischer Handelsunternehmen, die Elektroräder aus China importieren, ist jedoch davon überzeugt, dass diese handelspolitischen Schutzmaßnahmen die Einfuhr von extrem billigen Elektrofahrrädern aus China fördern, die nicht den technischen Vorschriften entsprechen. Diese minderwertigen Produkte haben laut Leva-EU bereits mehrere Unfälle verursacht, bei denen mindestens ein Mensch ums Leben kam.
Der Untersuchung der Kommission zufolge erlebte der Wirtschaftszweig der Union zwischen 2020 und 2022 einen deutlichen Aufschwung, wobei sich alle makro- und mikroökonomischen Indikatoren in diesem Zeitraum positiv entwickelten. Im Untersuchungszeitraum der Überprüfung vom 1. Januar bis 31. Dezember 2023 verschlechterte sich die Lage jedoch plötzlich wieder. Die Kommission räumt ein, dass dies auf die Überbevorratung während des COVID-19-Programms und auf den plötzlichen wirtschaftlichen Wandel mit hohen Energiekosten und Inflation zurückzuführen ist.

Schutz vor chinesischen Importen

Die Kommission ist der Auffassung, dass der Wirtschaftszweig der Union unter diesen Umständen angesichts der Wahrscheinlichkeit einer erneuten Schädigung durch chinesische Einfuhren weiter geschützt werden muss und schlägt daher vor, die Maßnahmen für weitere fünf Jahre zu verlängern.
Die Kommission unterstreicht auch die erheblichen Produktionskapazitäten Chinas und die Attraktivität des EU-Marktes und erklärt: „Die chinesischen ausführenden Hersteller führten in ihre wichtigsten Drittmärkte zu Preisen aus, die im Untersuchungszeitraum der Überprüfung deutlich unter den durchschnittlichen Verkaufspreisen der Unionshersteller auf dem Unionsmarkt lagen. Daher sind die Ausfuhren in die Union für die chinesischen Ausführer potenziell viel attraktiver. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass die chinesischen ausführenden Hersteller im Falle einer Aufhebung der Maßnahmen damit beginnen würden, große Mengen der zu überprüfenden Ware in die Union auszuführen.“
Dies wirft die Frage auf, welche anderen wichtigen Drittmärkte dies sein könnten und zu welchen Preisen chinesische E-Bikes dort verkauft werden. Die im Untersuchungszeitraum der Überprüfung aus China in die EU eingeführten E-Bikes wurden der Kommission zufolge bereits zu bemerkenswert niedrigen Preisen angeboten, die zwischen 210 Euro und 650 Euro lagen.

Schutzmaßnahmen laut Leva-EU ein Eigentor

Diese Feststellung legt aus der Perspektive von Leva-EU den Finger in die Wunde. Die handelspolitischen Schutzmaßnahmen haben ernstzunehmende chinesische Unternehmen mit langfristigen Ambitionen auf dem europäischen Markt aus China in Richtung Europa und Taiwan vertrieben. Diejenigen, die in China noch Elektrofahrräder für den europäischen Markt produzieren, können nur noch das unterste Preissegment anvisieren. Da die handelspolitischen Schutzmaßnahmen bis zu 80 Prozent der Einfuhrpreise ausmachen, ist ein Wettbewerb im mittleren und oberen Segment in Europa nicht möglich.
Dies wirft laut Leva-EU weitere Fragen darüber auf, wie Elektrofahrräder, die zwischen 210 und 650 Euro kosten, den europäischen technischen Vorschriften entsprechen können. Wie kann ein Elektrofahrrad zu diesem Preis mit einer CE-Kennzeichnung auf den Markt gebracht werden, die die Einhaltung der Maschinen-, EMV- und RoHS-Richtlinien nachweist? Wie kann ein Unternehmen, das so preisgünstige Produkte anbietet, EN 15194- und EMV-Prüfungen durchführen, einen Bevollmächtigten in der EU beschäftigen, ein technisches Dossier führen oder die Rücknahme von Altbatterien und Altfahrzeugen organisieren? Wie können sie sich auf die bevorstehende Umsetzung der äußerst anspruchsvollen Batterieverordnung vorbereiten?
Während dies bei Fahrrädern mit einem Preis von 650 Euro kaum möglich scheint, sei es bei Fahrrädern mit einem Preis von unter 650 Euro unmöglich. Bei einer sehr großen Produktion könne es funktionieren, aber selbst das ist fraglich, da im Jahr 2023 nur 220.914 Elektrofahrräder aus China importiert wurden, was einem Marktanteil von 4,4 Prozent entspricht.

Preissegmente sind unterschiedlich betroffen

Diese Situation spreche dafür, dass die handelspolitischen Schutzmaßnahmen nicht darauf abzielen, chinesische Billigimporte zu stoppen, sondern vielmehr zu verhindern, dass chinesische Hersteller in das mittlere und obere Marktsegment vordringen. Dieser Ansatz habe in den letzten 31 Jahren bei herkömmlichen Fahrrädern gut funktioniert.
Darüber hinaus haben die Maßnahmen die Möglichkeit, Elektrofahrräder in akzeptabler Qualität aus China zu importieren, nahezu unmöglich gemacht. Wie viele der 220.914 im Jahr 2023 importierten Fahrräder den europäischen technischen Vorschriften entsprachen, bleibt eine drängende Frage.
Neben der Frage der Einhaltung der europäischen technischen Vorschriften stellt sich laut Leva-EU auch die Frage nach einer möglichen Umgehung der Handelsschutzmaßnahmen: Unter dem HS-Code 8711 60 90 90 werden jährlich mehrere Millionen Fahrzeuge in die EU eingeführt. Wie viele davon sind absichtlich falsch klassifizierte Elektrofahrräder, um die Maßnahmen zu umgehen? In der Zwischenzeit scheinen sich die Zollbehörden viel mehr darauf zu konzentrieren, europäische Montagebetriebe wegen möglicher Verstöße gegen die Vorschriften für Fahrradteile zu kontrollieren und zu bestrafen.
Leva-EU fordert die Kommission auf, ihren Schwerpunkt von handelspolitischen Schutzmaßnahmen auf die Stärkung der Marktüberwachungsmechanismen zu verlagern. Derzeit werden übermäßig viele Ressourcen und Anstrengungen für Schutzmaßnahmen aufgewendet, während es bei der effektiven Marktüberwachung im Hinblick auf die europäische technische Gesetzgebung ein erhebliches Defizit gibt. Eine solide Marktüberwachung ist die einzige Möglichkeit, dem wachsenden Zustrom von Produkten minderer Qualität entgegenzuwirken, die häufig nicht den rechtlichen Verpflichtungen entsprechen.

Zoll gegen europäische Importeure

Die Kommission prüft auch noch die Dumpingzölle auf konventionelle Fahrräder aus China. Diese Rechte wurden auf einige wesentliche Fahrradteile ausgedehnt. Obwohl diese Teile von den Dumpingzöllen befreit sind, wenn sie bei der Montage von E-Bikes verwendet werden, ist das Befreiungsverfahren übermäßig kompliziert, was den Montagebetrieben große Schwierigkeiten bereitet. Darüber hinaus beschuldigt der Zoll zahlreiche Unternehmen, die Teile für Elektrofahrräder importieren, die Maßnahmen gegen Elektrofahrräder aus China zu umgehen. Außerdem reicht die europäische Produktion dieser Teile bei weitem nicht aus, um die Nachfrage zu decken.
Aufgrund all dieser großen Probleme fordert Leva-EU die Kommission auf, die Teile bei der Überprüfung der Maßnahmen gegenüber konventionellen Fahrrädern zu berücksichtigen und die Zölle auf diese Teile aus China nach 27 Jahren endlich abzuschaffen. Dies würde für viele Hersteller von Elektrofahrrädern in Europa große Hindernisse aus dem Weg räumen und es ihnen ermöglichen, ihr Geschäft auszubauen und so das Wachstum des Sektors zu fördern.



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