ADFC-Umfrage
14.09.2020, 13:43 Uhr
ADFC sieht hohen Bedarf nach besseren Schulradwegen
Eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung (99 Prozent) gibt in einer ADFC-Umfrage an, dass Maßnahmen erforderlich sind, damit mehr Kinder mit dem Rad zur Schule fahren.
Breitere und vom Autoverkehr getrennte Radwege (71 Prozent) sowie die Einrichtung von Fahrradstraßen (54 Prozent) sind dabei die wichtigsten Forderungen. Ein Drittel der Befragten hält es generell für unsicher, wenn Kinder mit dem Fahrrad zur Schule fahren. Das zeigt eine aktuelle Infas-Umfrage im Auftrag des ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club). Der Verkehrsclub fordert den beschleunigten Ausbau der Schulradwegenetze.
ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork sagt: „Wir wussten, dass Eltern die Schulwege ihrer Kinder oft als gefährlich wahrnehmen und sie deshalb nicht gern allein fahren lassen. Aber mit einem so drastischen Appell an die Kommunalpolitik, im ganzen Land für bessere und sichere Schulradwege zu sorgen, haben selbst wir nicht gerechnet. Das Thema Verkehr und Sicherheit beschäftigt alle – besonders mit Blick auf die Kinder.“
Eigenständig zur Schule – finden 81 Prozent wichtig
Der Aussage „Für Kinder ist es das Beste, wenn sie möglichst eigenständig zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Schule kommen“ stimmten 81 Prozent der Bevölkerung zu. Unter den Personen mit schulpflichtigen Kindern waren es sogar 83 Prozent. Stork: „Wir wissen aus anderen Studien, dass über 40 Prozent der Kinder mit dem Auto zur Schule gebracht werden – aber über 80 Prozent finden, dass ein selbständig zurückgelegter Schulweg eigentlich die beste Option ist. Es muss Verkehrs- und Bildungspolitik alarmieren, dass Eltern hier wider besseren Wissens handeln.“
„Elterntaxi“ als Notlösung
Eine klare Mehrheit von 58 Prozent stimmten der Aussage zu „Es ist sicher nicht optimal, Kinder mit dem Auto zur Schule zu bringen, aber manchmal einfach praktischer“. Unter den Personen mit schulpflichtigen Kindern sehen das sogar 62 Prozent so. Bei Erwerbstätigen ist die Zustimmung zu dieser Aussage deutlich höher (61 Prozent) als bei Nicht-Erwerbstätigen (51 Prozent). Stork: „Es ist klar, dass berufstätige Eltern unter Zeitdruck stehen und deshalb so antworten. Es brächte viel Entlastung in die Familien, wenn diese Eltern ihre Kinder mit gutem Gefühl selbständig auf den Schulweg schicken könnten.“
Einkommensschwächere nehmen das Radfahren zur Schule als unsicherer wahr
32 Prozent der Bevölkerung halten es für unsicher, wenn Kinder mit dem Fahrrad zur Schule fahren. Frauen beurteilen die Wege insgesamt als unsicherer (36 Prozent) als Männer (27 Prozent). Auffällig ist, dass die Schulwege als umso sicherer beurteilt werden, je höher das Haushaltseinkommen ist. Stork: „Es gibt immer mehr Indizien, dass brauchbare Radwege vor allem in wohlhabenderen Wohngegenden zu finden sind – weniger dort, wo benachteiligte Familien wohnen. Mit Blick auf die kognitionsfördernde Wirkung des Radfahrens ist das eine katastrophale Erkenntnis. Wir brauchen gute Radwege für alle – nicht nur für die ohnehin schon Privilegierten.“
77 Prozent sehen Potenzial für mehr radfahrende Kinder
Mehr als drei Viertel der Bevölkerung (77 Prozent) denken, dass mehr Eltern ihre Kinder mit dem Rad zur Schule fahren oder zu Fuß gehen lassen würden, wenn die Schulwege sicherer wären. Eine ebenfalls deutliche Mehrheit (71 Prozent) vermutet, dass auch mehr Eltern ihre Kinder mit Bus und Bahn zur Schule fahren lassen würden, wenn die ÖPNV-Verbindungen besser wären. Zur ÖPNV-Frage ist die Zustimmung im ländlichen Raum mit 74 Prozent besonders hoch – gegenüber 68 Prozent in der Großstadt. Stork: „Eltern wollen, dass ihre Kinder eigenständig zur Schule kommen. Das vielgescholtene Elterntaxi ist nicht das Mittel der Wahl, sondern oft eine Notentscheidung, die aus Mangel an sicheren und komfortablen Alternativen getroffen wird. Nur durch den schnellen Ausbau von sicheren Fuß- und Radwegen und mit einem gut getakteten ÖPNV kann es gelingen, dass wieder mehr Kinder eigenständig den Schulweg bewältigen können.“
Breitere, getrennte Radwege und Fahrradstraßen gefordert
Nur ein Prozent der Bevölkerung sagt, dass keine Maßnahmen ergriffen werden müssen, um das Radfahren zur Schule zu fördern. Die überwältigende Mehrheit der Bundesbürger ist also der Meinung, dass etwas passieren muss. 71 Prozent finden, dass breitere und vom Autoverkehr getrennte Radwege helfen würden, mehr Schulkinder aufs Rad zu bringen. 54 Prozent sprechen sich für Fahrradstraßen aus, auf denen das Rad Vorrang vor dem Auto hat und höchstens Tempo 30 gefahren werden darf. 52 Prozent halten mehr Radfahrunterricht für sinnvoll. 38 Prozent halten Tempo 30 auf dem gesamten Schulweg für zielführend und 20 Prozent sprechen sich dafür aus, dass Schulstraßen zum Unterrichtsbeginn für den Autoverkehr gesperrt werden. Dieses Modell wird derzeit in Wien getestet.
Hintergrund: Knapp die Hälfte der Kinder wird gebracht, trotz kurzer Wege
43 Prozent aller Kinder unter zehn Jahren werden mit dem Auto zur Schule gefahren. In den Niederlanden, dem Land mit dem am besten ausgebauten Radwegenetz weltweit, beträgt der Anteil nur 28 Prozent. Dabei ist der Großteil der Schulwege in Deutschland sehr kurz: 47 Prozent sind unter einem Kilometer, 68 Prozent unter zwei Kilometern und 89 Prozent aller Schulwege sind unter fünf Kilometern lang.
„Kidical Mass“ – bundesweite Familien-Fahrraddemo am 19./20. September
Um der Forderung nach besseren Schulradwegen Ausdruck zu verleihen, veranstaltet der ADFC in einem großen Aktionsbündnis am 19. und 20. September die erste bundesweite Familien-Fahrraddemo. Zehntausende Kinder, Jugendliche und Familien auf Rädern werden durch über 80 Städte fahren und eine neue Verkehrspolitik fordern, damit Kinder sicher und selbständig in den Städten Radfahren können. Die bundesweite Aktion wurde von der Kidical Mass Köln ins Leben gerufen. Unterstützt und organisiert wird sie vom Fahrradclub ADFC, Campact, Changing Cities, Greenpeace, Radkomm, VCD sowie mehr als 120 regionalen Initiativen.