Zwischen Mountainbikern und Förstern
25.06.2021, 11:40 Uhr
Das Dilemma mit dem Wald
Häufiger kommt es zu Konflikten zwischen Förstern, Waldbesitzern, Naturschützern und Mountainbikern. Die einen kritisieren, dass Mountainbiker auf illegalen Strecken die Wildtiere stören. Die Radfahrer wünschen sich mehr legale Angebote.
Erst kürzlich wurde in Oldenburg ein Mann zu einer Geldstrafe von 150 Euro verurteilt, da er sich außerhalb der öffentlichen Wege mit seinem Mountainbike bewegte. Genauer gesagt radelte er auf einem freien Weg, der nicht zur öffentlichen Nutzung freigegeben war. Die Nutzung solcher Wege, wie etwa Wander-, Reit- und Freizeitwege, muss vom Eigentümer explizit erlaubt werden. Zudem schreckte der Mann in der Brut- und Setzzeit ein hochtragendes Reh auf. Zunächst legte der Mann Rechtsbeschwerde ein, scheiterte damit aber vor dem Oberlandesgericht. Für ihn wäre erkennbar gewesen, dass der Weg nicht freigegeben war. Verbotsschilder aufzustellen wäre dem Eigentümer nicht zuzumuten gewesen.
Das Problem mit den illegalen Pfaden von Downhill-Bikern
Das Problem mit den illegalen Pfaden von Downhill-Bikern kennt man allerdings nicht nur in Oldenburg. Immer wieder kommt es außerdem zu Beschwerden von Waldbesitzern und Förstern, die Fahrer würden die Wildtiere stören. Auch im Habichtswald in Hessen sei die Anzahl der illegalen Downhill-Strecken zuletzt durch die Corona-Pandemie und den Mountainbike-Aufschwung stark gestiegen.
„Gerade in Hinblick auf die biologische Vielfalt, die eigentlich gefördert werden soll, sind die illegalen Trails inzwischen ein sehr großes Problem", sagt Matthias Schnücker, Bereichsleiter beim Forstamt Wolfhagen. So sei der gesamte Habichtswald in Nordhessen durchzogen von nicht genehmigtem Routen abseits der festen Wege. Nicht selten führten sie quer durch Naturschutzgebiete. „Die Fahrer stören die Brut- und Nistzeiten der Wildtiere massiv." Im Kasseler Bergpark sieht man außerdem andere Parkbesucher gefährdet, da die Mountainbiker und Downhill-Fahrer mit hoher Geschwindigkeit unterwegs seien. Lena Pralle, von der Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK) bemängelt fehlenden Respekt. „Schilder werden einfach demontiert, Absperrungen zerstört." Nicht selten reagierten die Mountainbiker auf Ansprache aggressiv. Schnücker sieht eine Lösung darin, legale und naturverträgliche Pfade einzurichten. Davon gibt es im hessischen Staatswald aktuell etwa 40 Kilometer.
Lösungen benötigen Dialoge
Für Ingmar Hötschel von der Deutschen Initiative Mountainbike (DIMB) ist das zu wenig. Schließlich gäbe es in Hessen für Wanderer auch schon Strecken über 350 Kilometern. „Leider wurde es von vielen Akteuren wie dem Forst oder den Gemeinden vollkommen verschlafen, entsprechende Angebote zu schaffen." In der Vergangenheit seien viele Vorschläge von Seiten der DIMB ohne Alternativen einfach abgelehnt worden. Andersrum hat man bei der DIMB die Erfahrung gemacht, dass sie für neue (Gemeinde-) Projekte nicht ins Boot geholt wurde und so Angebote entwickelt wurden, die am Bedarf vorbei gingen. „Uns ärgert es, dass oft übereinander statt miteinander geredet wird. Wir wünschen uns eine Gesprächsbereitschaft von allen Seiten. Es kommt darauf an, gemeinsam zu agieren und nicht übereinander herzuziehen. Nur so können Lösungen erarbeitet werden"
Während der Corona-Pandemie haben sich mehr Menschen einzeln in der Natur sportlich betätigt. Das führte zu einer Zunahmen von Wanderern genauso wie Mountainbikern. Da die Angebote des DIMB wie Fahrtechniktrainings, gemeinsame Touren oder Stammtische aber nicht stattfinden konnten, waren viele unerfahrene Mountainbike-Anfänger jedoch auf sich alleine gestellt. Die Probleme bezüglich der Waldnutzung haben sich so noch mal verschärft. Zudem fehle es teilweise an Informationen und Aufklärung über die Trail Rules, also die Regeln beim Mountainbikes im Wald. Um besseren Austausch zu schaffen wurde ein runder Tisch mit der DIMB, Vertretern des Naturschutzbundes, der Naturfreunde Hessen, des Landessport Hessen, des Ministeriums für Klima- und Umweltschutz sowie Vertretern des Forst Hessens und des ADFC ins Leben gerufen. Dieser ruht allerdings aktuell, weil man auf eine Rückmeldung des Ministeriums warte.
Timo Kehm, Fachwart beim Radfahrverband Hessen, sieht ebenfalls ein Problem in der Kommunikation. „Viele Regionen haben zu wenig offizielle Strecken." Gleichzeitig machten sich die Biker oftmals wenig Gedanken um die Folgen ihres Handelns. Eine Lösung für beide Seite zu finden, sei schwierig. „Wir sind als Verband häufig außen vor, weil die Mountainbiker in der Regel keinem Verein angehören und nicht an uns herantreten." Hötschel ist bewusst, dass es selbst mit ausreichend legalen Wegen immer noch einen Prozentsatz an Mountainbikern geben wird, der sich nicht an die Regeln halten wird. Dieser kann allerdings durch ein attraktives Angebot verringert werden, denn das Bewusstsein für die Naturräume im Wald sei bei vielen Fahrern grundsätzlich schon vorhanden
Erste Projekte sind geplant
Erste Schritte, das Problem zu lösen, gibt es bereits. Im Landkreis Waldeck-Frankenberg in Nordhessen etwa ist ein Mountainbike-Wegenetz mit einer Gesamtlänge von 400 Kilometern in Planung. Es besteht laut Matthias Schäfer vom Fachdienst Sport im Kern aus einzelnen miteinander verbundenen Trailparks. Deren Hauptmerkmal seien 200 Kilometer lange schmale und mittelbreite Pfade, sogenannten Singletrails, die überwiegend durch Wälder verlaufen. 19,8 Millionen Euro werden Schäfer zufolge in das mit EU-Mitteln geförderte Projekt investiert.
Bereits befahrbar ist ein Netz aus über 1000 Kilometer ausgewiesener Mountainbikewege in der Rhön. In dem Mittelgebirge im Dreiländereck von Bayern, Hessen und Thüringen ist laut der Tourismus-Gesellschaft Rhön GmbH das längste zusammenhängende Mountainbikenetz in Deutschland entstanden.