Dekra Verkehrssicherheitsreport 2024
08.11.2024, 10:03 Uhr
Starre Pfosten auf Radwegen bergen hohes Unfallrisiko
Für den Dekra Verkehrssicherheitsreport 2024 „Verkehrsräume für Menschen“ wurde ein Lastenrad in zwei Crashtests jeweils gegen einen flexiblen bzw. einen starren Pfosten gefahren. Die Auswirkungen könnten kaum unterschiedlicher sein.
Mitunter hohes Verletzungsrisiko: Der Dummy wird bei der Kollision mit einem starren Pfosten vom Rad geschleudert.
(Quelle: Privatfoto)
Ampel- oder Lichtmasten, Verkehrsschilder oder Sperrpfosten – sie alle haben auf Straßen und in ihrem Seitenraum oft eine wichtige Funktion. „Gleichzeitig können sie aber Hindernisse darstellen, die zu Unfällen führen oder Unfallfolgen verschlimmern“, warnt Dekra Unfallforscher Markus Egelhaaf.
In den letzten Jahren werden zunehmend Verkehrsräume zugunsten aktiver Mobilitätsformen umgewidmet. Dabei kommen neben der rein optischen Markierung etwa von Rad- oder Fußwegen häufiger auch Sperrpfosten zum Einsatz. Pfosten kommen auch zum Einsatz, wenn es darum geht, eine optische Barriere an Kreuzungen und Einmündungen zu schaffen oder das Einfahren in Rad- oder Fußwege beispielsweise mit Pkw zu verhindern. Allerdings können derartige Poller beim Anprall insbesondere mit einem Fahrrad gravierende Folgen nach sich ziehen.
Um die Risiken von starren Pollern für Radfahrende zu visualisieren, hat Dekra einen Crashtest mit einem Lastenrad durchgeführt. Ein identischer Test erfolgte zudem in gleicher Konstellation gegen einen nachgiebigen Pfosten aus Kunststoff. Verwendet wurde dabei ein zweispuriges E-Lastenrad der Aufbauform „Hecklader/Trike“, die Kollisionsgeschwindigkeit lag bei 25 Km/h. Im Test gegen den starren Pfosten kam es zu einer starken Verzögerung, durch die der Dummy vom Sattel in Richtung Lenker geschleudert wurde. Der Pfosten knickte ab und fungierte so als Rampe. Das Heck des Fahrrads wurde angehoben, der Dummy abgeworfen, das Fahrrad kippte um.
Flexible Pfosten minimieren Verletzungsrisiko
„In einer realen Fahrsituation hätte der Aufsasse des Lastenrads schwere Verletzungen davongetragen“, so Egelhaaf. Im Versuch mit dem flexiblen Pfosten wurde dieser einfach überfahren und stellte sich anschließend wieder selbst auf. Zu nennenswerten Verzögerungen kam es nicht, der Dummy blieb auf dem Sattel. Der Fahrzustand blieb kontrollierbar. „Ein weiterer Vorteil der nachgiebigen Poller besteht darin, dass im Falle einer Kollision mit einem Kraftfahrzeug sowohl die Schäden an der Infrastruktur als auch am anprallenden Fahrzeug gering gehalten werden“, erklärt der Experte.
Viel zu oft legen Egelhaafs Ansicht nach die für die Straßen und Wege zuständigen Stellen nicht genug Wert darauf, die Wege selbst freizuhalten. So spare man beispielsweise durch den Ampelmasten in der Mitte des Geh- und Radwegs Geld für den ansonsten erforderlichen längeren Ausleger, oder eine temporäre Baustellenbeschilderung werde gerne mal auf den Gehweg gestellt, um so auf Ampelregelungen oder Umleitungsstrecken zu verzichten. „Die Gefährdung, die daraus entsteht, wird viel zu oft einfach hingenommen – etwa für Menschen in Rollstühlen oder mit Rollatoren, für Sehbehinderte, für Personen mit Kinderwagen oder für Kinder auf Fahrrädern: Sie müssen wegen Engstellen zum Beispiel auf die Fahrbahn ausweichen, und das oft in Bereichen ohne abgesenkten Bordstein“, kritisiert der Unfallforscher.
Unfallzahlen könnten steigen
Dass der Anprall gegen Pfosten und Elemente der Fahrbahnverengung im Fahrradunfallgeschehen eine nennenswerte Rolle spielt, machen ältere Studien aus den Niederlanden deutlich. So zeigen die Ergebnisse von Untersuchungen des Ministeriums für Infrastruktur und Umwelt in Zusammenarbeit mit der Stiftung Verbraucher und Sicherheit, dass etwa die Hälfte aller Fahrradunfälle teilweise durch einen oder mehrere infrastrukturbezogene Faktoren verursacht werden. Auf Pfosten und ähnliche Elemente entfielen laut einer 2008 veröffentlichten Studie schon damals zwölf Prozent dieser Unfälle.
„Durch die zunehmende Breite und Geschwindigkeit im Fahrradbereich müssen wir damit rechnen, dass solche Unfälle häufiger passieren“, prognostiziert Markus Egelhaaf. Die Forderungen verschiedener Organisationen zum Schutz der Interessen von Radfahrenden nach einem gänzlichen Verzicht auf Poller seien daher zunächst nachvollziehbar. Allerdings gebe es auch Situationen, in denen ihre Verwendung bei ganzheitlicher Betrachtung Sicherheitsvorteile bringe. „Dabei gilt es dann aber sicherzustellen, dass die Poller durch entsprechende Farbgebung und eine passende Mindesthöhe bei allen Licht- und Wetterverhältnissen gut zu sehen sind“, erklärt der Unfallforscher.
Der Verkehrssicherheitsreport 2024 „Verkehrsräume für Menschen“ steht hier zur Verfügung.
Der Verkehrssicherheitsreport 2024 „Verkehrsräume für Menschen“ steht hier zur Verfügung.