Debatte über sicheres Fahren im Wald
31.10.2024, 11:26 Uhr
Parlamentskreis Fahrrad Baden-Württemberg über Landeswaldgesetz uneins
Für die einen ist das Gesetz unentbehrlich für Sicherheit und Naturschutz, für die anderen ein Quell überbordender Bürokratie und Benachteiligung. Auf der sechsten Parlamentskreissitzung wurde heftig debattiert.
Bei der Parlamentskreissitzung wurde u.a. das Thema Mountainbiking diskutiert.
(Quelle: Shutterstock/Real Sports Photos)
Ist das Radfahren in Baden-Württembergs Wäldern überall erlaubt? Welche Gesetze und Vorschriften in Puncto Sicherheit und Naturschutz müssen dabei beachtet werden? Diesen und mehr Fragen widmete sich der interfraktionelle Parlamentskreis Fahrrad Ende Oktober im Stuttgarter Landtag. Die Antworten des geladenen Fachgremiums aus Politik, Fahrradwirtschaft und Interessenverbänden fielen dabei allerdings sehr unterschiedlich aus.
„Heute ist Mountainbiken im Wald eine Massenbewegung - es findet schlicht statt! Damit es auch sicher für alle ist, braucht es geschickte Lenkungsstrategien“, führte Hermino Katzenstein, Initiator des Parlamentskreises Fahrrad BW und fahrradpolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion, ins Thema ein. Am Leuchtturmprojekt Besucherlenkung Mountainbike im Rems-Murr-Kreis wurde anschließend diskutiert, wie eine solche Lenkung sinnvoll erfolgen kann.
Fahrradbranche gegen Bürokratie
„Die Ansprüche der Gesellschaft an den Wald sind vielfältig. Natürlich haben wir auch die Interessen des Radsports im Blick. Wie im Rems-Murr-Kreis wurden landesweit bereits viele Projekte erfolgreich umgesetzt. So konnten bereits mehrere hundert Kilometer Strecke fürs Mountainbiking im Wald entstehen. Die Menschen haben die Möglichkeit den Wald auf vielfältige Art und Weise zu nutzen. Im Mittelpunkt muss immer der gegenseitige Respekt und die Achtung voreinander stehen“, berichtete Ministerialdirektorin Isabel Kling aus dem Landesministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR).
Die Interessenvertreter der Fahrradbranche zeichneten dagegen anderes Bild. So berichtete Janet Weick von der Deutschen Initiative Mountainbike: „Unser Erfolgsprojekt Rems-Murr ist gestoppt. Die Naturschutzbehörde vor Ort hat eine 180-Grad-Wende hingelegt. Plötzlich werden Gutachten und Ausgleichsflächen in erheblichem Umfang verlangt. Das verschlingt Unsummen und dauert Jahre. Und das um vorhandene, bereits befahrene Pfade im Wald zu genehmigen oder vereinzelt neue Pfade anzulegen. Wir Ehrenamtlichen können das so bald nicht mehr leisten.“ Dabei ist Weick sicher, dass eine Benutzerlenkung dem Naturschutz und der Sicherheit nützt. Denn dort, wo durch gezielt angelegte und gepflegte Wege legales Radfahren im Wald möglich wird, verschwinden die illegalen Trails, die oft in ruhigen ökologisch sensiblen Bereichen angelegt wurden und somit der Natur wirklich Schaden zufügen.
Der Dissens gipfelte in einer Diskussion um die sogenannte Zwei-Meter-Regel des Landeswaldgesetztes, die bundesweit einzig in Baden-Württemberg das Radfahren auf Waldwegen unter zwei Meter Breite verbietet. Einstimmig forderten Wirtschaft und Verbände von der Landesregierung, ihren Sonderweg im Wald aufzugeben. Claus Fleischer, Geschäftsleiter von Bosch Ebike Systems, richtete seine Kritik an die Ministerialdirektorin: „Das ist eine Regel, die in der Realität nichts regelt. Es gibt nicht eine Studie, die ihren Mehrwert belegt. Wir haben hier ein Bürokratieproblem!“
Rückendeckung bekam Fleischer dabei auch von Kathleen Lumma, Landesgeschäftsführerin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club: „Die Zwei-Meter-Regel manifestiert die Benachteiligung von Radfahrenden! Wandern und Radfahren werden im Wald ungleich behandelt.“
Verhaltener Optimismus
Matthias Kiess war anderer Meinung. „Naturschutzregeln werden durch den Wegfall der Zwei-Meter-Regelung nicht aufgehoben und damit auch ohne sie erforderlich bleiben“, entgegnete der Referatsleiter für Waldpolitik, nachhaltige Waldbewirtschaftung und Waldnaturschutz im MLR. „Warum das Ganze nicht einfach umkehren, also das Radfahren im Wald überall erlauben und nur da gezielt verbieten, wo Sicherheit und Naturschutz wirklich gefährdet werden?“, schlug Katzenstein als Lösungsansatz vor.
Sein Resümee am Ende der Veranstaltung fiel verhalten optimistisch aus: „Zwar konnten wir heute noch keine für alle befriedigende Lösungen finden, aber es ist als äußerst positiv zu bewerten, dass endlich einmal alle an einem Tisch zusammengekommen sind. Nun darf der Gesprächsfaden nicht abreißen. Ich werde mich weiterhin für einen konstruktiven Austausch der verschiedenen Interessengruppen einsetzen. Damit Radfahren im Wald bald überall in Baden-Württemberg sicher möglich ist!“
Der Parlamentskreis Fahrrad BW ist nicht nur der erste seiner Art in Baden-Württemberg, sondern bundesweit der einzige in einem Landtag zum Thema Radverkehr. Der Parlamentskreis existiert bereits seit Anfang 2022 und kommt zweimal jährlich zusammen. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, den Radverkehr als wichtige nachhaltige Mobilitätsform in die Mitte des Parlaments zu tragen, um eine breite Unterstützung über Fraktionsgrenzen hinweg zu erreichen. Je nach Themensetzung wird der Kreis außerdem durch weitere Fachabgeordnete, verschiedene Ministeriumsvertreter sowie durch externe Gäste erweitert.