Kernforderungen unerfüllt
18.07.2023, 10:36 Uhr
Radentscheid: Bayern bekommt ein „Radgesetzchen“
Die Bayerische Staatsregierung beschließt am Mittwochabend ein Radgesetz, doch das Radentscheid-Bündnis kritisiert den Umgang mit dem Radl-Volksbegehren.
Die CSU wird morgen zusammen mit den Freien Wählern (FW) ein Radgesetz beschließen. Nicht nur der Radentscheid Bayern, auch die kommunalen Spitzenverbände und die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern kritisieren, dass der Gesetzentwurf ohne Beteiligung der Verbände eiligst geschrieben wurde und nicht ausreiche, um den Radverkehr in Bayern sicherer zu machen.
Paradigmenwechsel bei der CSU
Das Radentscheid-Bündnis zeigt sich zudem enttäuscht vom Umgang der CSU und FW mit ihrem Volksbegehren: „Just am Tag, nachdem ich im Innenministerium angerufen und gesagt hatte, dass wir in nur vier Monaten 100.000 Unterschriften für die Zulassung unseres Volksbegehrens gesammelt haben, hat Markus Söder nach fünf Jahren strikter Ablehnung eines Radgesetzes plötzlich verkündet, er werde ein eigenes Radgesetz schreiben lassen“, erklärt Bernadette Felsch, ADFC Bayern-Vorsitzende und Beauftragte des Volksbegehrens.
Radgesetz der Staatsregierung mit heißer Nadel gestrickt
Der Radgesetzentwurf des Radentscheids wurde daraufhin dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof vorgelegt und noch ehe das Urteil gesprochen war, haben CSU und FW ihren eigenen Radgesetzentwurf vorgestellt.
„Während der Bayerische Verfassungsgerichtshof verkündet hat, dass unser Volksbegehren nicht zugelassen wird, haben unser Ministerpräsident, Verkehrs- und Innenminister einen symbolischen Radweg-Spatenstich arrangiert. Doch am bittersten war für uns, dass das Gericht fand, dass sicherheitsrelevante Dinge, die zum Beispiel in NRW und Berlin bereits in Radgesetzen stehen, von einem Bundesland gar nicht geregelt werden dürften, weil sie schon im Straßenverkehrsgesetz des Bundes ,abschließend geregelt‘ seien. Und das angesichts 84 beim Radfahren getöteter und über 18.000 verletzter Menschen in Bayern allein im Jahr 2022. Allerdings wird genau dieses Straßenverkehrsgesetz aktuell überarbeitet, weil es sich fast ausschließlich um das ungehinderte Fließen des Kfz-Verkehrs, aber nicht um Klima- und Umweltschutz, nicht um menschenfreundliche Orte und auch nicht um die Sicherheit von Rad- und Fußverkehr kümmert“, erläutert Bernadette Felsch.
Gesetzentwurf ohne Expertenbeteiligung und Verbändeanhörung
Die Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens wurden im Gegensatz zu den Radentscheiden in NRW und Berlin am jetzt vorgelegten Radgesetzentwurf nicht beteiligt. Eine Verbändeanhörung wurde versprochen, dann aber nicht durchgeführt. Kein einziger Punkt aus den dennoch dem Verkehrsausschuss vorgelegten Stellungnahmen wurde noch in den Gesetzentwurf eingearbeitet. Damit mache die Söder-Regierung laut ADFC Bayern genau das, was der bayerische Ministerpräsident selbst kürzlich am Heizungsgesetz kritisiert hat: einen Gesetzentwurf „schnell und unter Missachtung der Gepflogenheiten durchs Parlament peitschen“.
Im Schneckentempo zum bayerischen Radverkehrsnetz
„Stimmungen aus der Bevölkerung aufnehmen, um schnell und ohne Beteiligung Sachverständiger ein abgespecktes eigenes Gesetz zu stricken, selbst wenn man damit die eigene Meinung um 180 Grad ändert, das ist ,Söderstyle‘. So haben sich die Väter und Mütter der Bayerischen Verfassung das mit der Direktdemokratie bestimmt nicht vorgestellt. Nicht nur bei allen, die sich monatelang für ein Volksbegehren engagiert haben, erzeugt das Politikverdrossenheit. Zwar hat der Druck, mit dem wir die Schnecke CSU angeschoben haben, dazu geführt, dass nun endlich auch Bayern ein Radgesetz bekommt. Doch glücklich sind wir nicht, weil das einzig konkrete Ziel für die Radinfrastruktur lautet: 1.500 Kilometer neue Radwege bis 2030. Das entspricht im Schnitt 91 Metern pro Jahr und Gemeinde. In diesem Schneckentempo hätte Bayern erst 2160 ein Radverkehrsnetz. Damit bleiben wir sogar hinter den Zielen des Radverkehrsprogramms Bayern 2025 zurück“, so Bernadette Felsch. Die Radentscheidbewegung bleibe dennoch offen für einen konstruktiven Austausch und werde sich weiter für Verbesserungen beim Radgesetz und bei den realen Radverkehrsbedingungen einsetzen.