230.000 befragte Radfahrer
16.03.2021, 11:51 Uhr
ADFC präsentiert Ergebnisse des Fahrradklima-Tests 2020
Die Ergebnisse des ADFC-Fahrradklima-Tests 2020 liegen vor. Rund 230.000 Radfahrerinnen und Radfahrer stimmten im Herbst 2020 per Online-Umfrage über die Fahrradfreundlichkeit ihrer Städte ab. Mit über 1.000 Städten finden sich mehr als je zuvor in der Wertung.
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) präsentierten am 16. März die Ergebnisse der Umfrage. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, ADFC-Bundesvorsitzender Ulrich Syberg und ADFC-Vizebundesvorsitzende Rebecca Peters zeichneten 25 Städte aus, darunter die Erstplatzierten und die stärksten Aufsteiger seit der letzten Befragung. Einen Sonderpreis erhielt diejenige Stadt, die sich seit der Corona-Pandemie besonders stark für den Radverkehr engagiert hat. Die bewerteten Städte repräsentieren 52,5 Millionen Menschen oder 62 Prozent der Bevölkerung.
Als Sieger beim ADFC-Fahrradklima-Test 2020 wurde in der Klasse über 500.000 Einwohner auf Platz eins Bremen (Note 3,6) ausgezeichnet, Hannover (3,7) und Frankfurt (3,7) folgten auf den Plätzen zwei und drei. Karlsruhe (Note 3,1) gewann in der Klasse über 200.000 Einwohner. Münster (3,2) und Freiburg (3,4) belegten die Folgeplätze. Göttingen (Note 3,3) schnitt in der Klasse über 100.000 Einwohner am besten ab, Erlangen (3,3) kam auf Platz zwei, Heidelberg (3,5) auf Platz drei. Nordhorn (Note 2,6) belegte den 1. Platz in der Klasse über 50.000 Einwohner. Bocholt (2,8) und Konstanz (3,2) kamen auch auf das Siegertreppchen. Baunatal (Note 2,4) gewann in der Klasse über 20.000 Einwohner, Meckenheim (2,7) belegte Platz zwei und Westerstede (3,0) kam auf Platz drei. Wettringen (Note 2,0) gewann in der Klasse bis 20.000 Einwohner, Reken (2,1) und Rutesheim (2,2) komplettierten die ersten drei Platzierungen.
In der Kategorie Aufholer wurden Städte mit den stärksten Verbesserungen gegenüber dem letzten ADFC-Fahrradklima-Test ausgezeichnet: Frankfurt am Main (von 3,9 auf 3,7), Wiesbaden (von 4,4 auf 3,9), Würzburg (von 4,3 auf 4,1), Böblingen (von 4,3 auf 3,6), Landau in der Pfalz (von 4,2 auf 3,6) und Gaildorf (von 4,2 auf 3,5). Den Sonderpreis als Großstadt, die seit Corona am meisten für den Radverkehr getan hat, erhält Berlin. 80 Prozent der Befragten sahen hier handfeste Signale für mehr Fahrradfreundlichkeit während der Corona-Zeit. Schlusslichter in ihren Größenklassen sind jeweils Köln (4,4), Duisburg (4,5), Hagen (4,9), Lüdenscheid (5,0), Kulmbach (4,7) und Schiffweiler (4,9).
Überwiegende Unzufriedenheit
Auch wenn es gegenüber 2018 beinahe überall Verbesserungen gab, haben die immer noch verbesserungswürdigen Noten ihre Gründe: 80 Prozent der Befragten finden die Radwege zu schmal (Note 4,7), für 75 Prozent sind mangelnde Falschparkerkontrollen auf Radwegen (Note 4,8) ein Problem, schlechte Führung von Radwegen an Baustellen wird als mangelhaft erachtet (Note 4,7) und 69 Prozent fühlen sich beim Radfahren nicht sicher. Der ADFC und das Bundesverkehrsministerium rufen vor diesem Hintergrund Länder und Kommunen auf, jetzt zügig das Geld aus dem „Sonderprogramm Stadt und Land“ und aus dem Förderprogramm „Radnetz Deutschland“ für den flächendeckenden Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur zu nutzen.
Zwei Drittel der Radfahrenden gaben an, dass Corona die Bedeutung des Fahrrads gesteigert habe. Das bestätigen auch die Verkaufszahlen im und die steigende Anzahl an Radfahrenden seit Ausbruch der Pandemie. Sichtbare Verbesserungen für den Radverkehr während der Corona-Pandemie sahen die meisten Befragten allerdings nicht (Gesamtnote 5,0). Positiv schnitten hier nur die Großstädte über 500.000 Einwohner ab. In Berlin, München, Stuttgart und Düsseldorf bemerkten die Radfahrenden „handfeste Signale für mehr Fahrradfreundlichkeit“ in der Corona-Pandemie. Dazu zählen konkrete Maßnahmen wie die Einrichtung von Pop-up-Radwegen, Fahrradstraßen, verkehrsberuhigten Zonen oder Pollern zum Schutz gegen Durchgangsverkehr. Positiver beurteilt wurden auch die schnelle Erreichbarkeit von Stadtzentren (2,9), die Öffnung von Einbahnstraßen für Radfahrende in Gegenrichtung (3,0) sowie die Radnutzung aller Altersklassen (3,1).
Große Ankündigungen und Ziele
Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur kündigte große Ziele an: „Das Fahrrad ist so viel mehr als nur ein Fortbewegungsmittel. Ich will, dass Radfahren wieder viel öfter Energie, Genuss, Lebensfreude wird. Deutschland Fahrradland ist keine Fantasie, sondern wird immer mehr zur Realität. Mit unserer Radverkehrsoffensive unterstützen wir die Länder und Kommunen dabei, den Radverkehr spürbar zu verbessern. Das ist eine Riesenchance und der Fahrradklimatest zeigt, dass wir sie schnellstmöglich ergreifen sollten. Das Geld ist da: Bis 2023 stellen wir die Rekordsumme von 1,46 Milliarden Euro bereit. Mit unserem Sonderprogramm Stadt und Land unterstützen wir die Länder und Kommunen z.B. beim Bau von Radwegen, Radwegebrücken, Unterführungen und fahrradfreundlichen Kreuzungen, damit Radfahren sicher und entspannt möglich ist. Unsere Stiftungsprofessuren sollen außerdem helfen, dass wir mehr Radexperten bekommen – auch bei den dringend benötigten Verkehrsplanern.“
ADFC-Vizebundesvorsitzende Rebecca Peters ergänzte: „Seit Corona ist überdeutlich geworden: Die Menschen in Deutschland wollen mehr Radfahren – und zwar auf guten, breiten Radwegen. Häufige Alltagserfahrung ist aber immer noch: Radwege sind zu schmal, zugeparkt oder durch Baustellen unterbrochen. Dass Städte nicht Jahrzehnte brauchen, sondern auch schnell fahrradfreundlicher werden können, zeigen Frankfurt am Main, Berlin und Düsseldorf. Wir brauchen jetzt flächendeckende Radwegenetze im ganzen Land.“
Der ADFC-Fahrradklima-Test ist die größte Umfrage zur Zufriedenheit der Radfahrenden weltweit. Er wird vom Fahrradclub ADFC alle zwei Jahre mit Unterstützung des Bundesverkehrsministeriums durchgeführt und fand 2020 zum neunten Mal statt. 2018 hatten knapp 170.000 Radfahrer das Fahrradklima in 683 Städten beurteilt, 2016 waren es 120.000 Teilnehmer, die 539 Städte bewerteten. Somit hat sich die Teilnahme an der Umfrage in nur vier Jahren verdoppelt.